Kempen Kempens Mühle ist ihre Flügel los
In einer großen Aktion wurden die Flügel abmontiert. Wind und Wetter haben ihnen zugesetzt — alle werden repariert.
Kempen. Stau auf dem Radweg entlang des Hessenrings: Fußgänger, Mütter und Omas mit Kinderwagen sowie Radfahrer stehen dort und schauen mit offenem Mund nach oben in Richtung Mühle — während gleichzeitig andere Radfahrer darum kämpfen, an ihnen vorbei zu kommen. Grund des ungewöhnlichen Auflaufs an diesem frühen Freitagmorgen: Die Mühlenflügel werden abmontiert. Zwei mobile Kräne stehen deshalb auf der Grünfläche vor dem denkmalgeschützten Gebäude.
Gudrun Holzmann vom Hochbauamt der Stadt Kempen ist die schmalen, staubigen Stiegen hochgeklettert und steht nun in zwölf Metern Höhe auf dem windumtosten Umlauf unterhalb des Mühlenturms. Sie konferiert mit Stefan und Martin Klinkenberg von der gleichnamigen Tönisberger Bedachungsfirma. Diese hat den Abbau der neun Meter langen und 2,30 Meter breiten Holzflügel übernommen.
„Das ist auch für mich eine aufregende Sache“, bekennt Gudrun Holzmann, zuständig für die historischen Gebäude in der Thomasstadt. Denn Reparaturen an Denkmälern kommen selbst in Kempen nicht alle Tage vor. Sie berichtet noch einmal, wie es überhaupt zu dem heutigen Termin gekommen ist: Am Altweiber-Donnerstag war der nach oben gerichtete Flügel vom Sturm stark beschädigt worden. „Es handelt sich ausgerechnet um den, der erst vor zehn Jahren nach dem Orkan Kyrill ausgetauscht worden war“, sagt die Architektin. Das Holz sei nicht morsch gewesen, sondern durch Hebelkraft regelrecht abgeknickt worden.
Die abgebrochenen Teile der sogenannten Flügelrute, die die Feuerwehr am Karnevalswochenende provisorisch gesichert hatte, waren vor kurzem abgenommen worden. Da befürchtet werden musste, dass auch die drei verbliebenen Flügel beschädigt sind, hatte man sich bei der Stadt dazu entschlossen, auch diese abzunehmen. „Eine weise Entscheidung“, urteilt Holzmann heute. Denn gleich mehrere morsche Stellen wurden sofort entdeckt.
Die Flügel aus Eichen- und Lärchenholz sind Wind und Wetter ständig ausgesetzt. Nach Auskunft von Holzmann drehen sie sich nicht selbstständig, sondern werden von Mitarbeitern der Firma Klinkenberg regelmäßig gedreht, um eine möglichst gleichmäßige Verwitterung zu erreichen. Doch auch so lassen sich Schäden nicht vermeiden.
An anderen Mühlen haben die Müller, wenn früher ein starker Sturm aufzog, die Flügel komplett aus dem Wind gedreht. Das aber ist an der Turmwindmühle am Hessenring, die 1481 an der Süd-West-Seite der Stadtmauer errichtet wurde, gar nicht möglich. „Die Kappe kann man hier nicht drehen. Konnte man noch nie“, berichtet Holzmann.
Die Flügel werden nun nach Tönisberg transportiert, wo die Firma Klinkenberg die Reparaturen übernehmen wird. „Wir sehen uns dann in der Werkstatt“, ruft Gudrun Holzmann Stefan Klinkenberg hinterher. Das Unternehmen habe besonders fähige Zimmerleute und kenne sich mit der alten Technik gut aus: Auch die Bockwindmühle in Tönisberg wird von Klinkenberg in Schuss gehalten.
Doch zurück zum Hessenring. Nachdem die Flügel abmontiert sind, wagt sich die Mitarbeiterin des Hochbauamtes selbst noch höher hinaus: Holzmann klettert in einen Korb und lässt sich vom Kran zu den verbliebenen Bruststücken der Flügel hochziehen. Dann entscheidet sie: Auch diese kommen runter und werden zur Begutachtung in die Werkstatt gebracht.
Die Stadt hat bereits einen Statiker eingeschaltet, um mit ihm gemeinsam eine dauerhafte Lösung für die Flügel zu finden. Da nämlich auch in Zukunft starke Stürme erwartet werden, soll sichergestellt werden, dass das Kempener Wahrzeichen diesen widerstehen kann. „Schließlich wollen wir nicht alle zehn Jahre neue Flügel bestellen“, sagt Gudrun Holzmann.