Meinung Helfen Sie mit – und lassen Sie sich helfen!

Meinung · Zur Corona-Krise gibt es deutlich mehr Fragen als Antworten. Ein Kommentar von WZ-Redaktionsleiter Tobias Klingen.

WZ-Redaktionsleiter Tobias Klingen.

Foto: Lübke, Kurt (kul)

Wie gefährlich ist die Lage? Welche Einschränkungen kommen denn noch? Sind unsere Krankenhäuser für das gewappnet, was auf sie zukommt? Was wird denn aus den vielen Geschäftsleuten? Oder ganz einfach: Wie geht’s weiter? Liebe Leserinnen und Leser, im Zusammenhang mit dem Coronavirus, dem Kampf dagegen und den Auswirkungen gibt es viele Fragen. Und zum Leidwesen von uns allen gibt es deutlich mehr Fragen als Antworten. Das ist auch für uns als Journalisten in der WZ-Redaktion ein Zustand, den wir nur schwer akzeptieren können. Aber nun ist es so.

Am Freitagnachmittag gegen 15 Uhr habe ich mir beim Bäcker in der Kempener Altstadt ein wenig Nervennahrung besorgt. Knapp fünf Minuten habe ich dann noch eine Runde durch die sonst so pulsierende Altstadt gedreht. Eine Runde, die die Erkenntnis gebracht hat: Die Stadt ist leer –  Kempen bleibt zu Hause. Endlich! Denn abseits der Wege zur Arbeit und zu den nötigen Besorgungen in Supermärkten und Co. sollten nun alle einfach zu Hause bleiben. Es muss so sein, anders werden wir dieser Krisensituation nicht Herr werden. Die Bilder aus anderen Teilen der Welt – insbesondere aus Italien – sollten uns allen doch Warnung genug sein.

Es hat aber auch keinen Sinn, andere verbal zu attackieren, weil sie aus welchen Gründen auch immer gerade mal nicht zu Hause sind. Eltern, die mit ihren kleinen Kindern spazieren gehen, gehören nicht angepöbelt. Und ältere Menschen, die einkaufen gehen, dürfen nicht angeschrien werden. Beides habe ich erlebt – und beides geht gar nicht. Das ist ebenso idiotisch wie das asoziale Hamstern von Nudeln, Toilettenpapier, Mehl oder Milch. Wo leben wir denn eigentlich?

Vor allem Senioren sollten wir doch viel mehr Hilfe anbieten. Statt der alten Frau im Drogeriemarkt lauthals zu empfehlen, dass sie endlich daheim bleiben solle, könnte man sie doch fragen, ob sie Unterstützung braucht. Und wenn man dafür selbst aus vielen verständlichen Gründen nicht die Zeit hat, kann man ihr erklären, dass es zahlreiche Initiativen gibt, die helfen wollen. Aus diesem Grund drucken wir nun täglich einen Artikel ab, in dem die Hilfskontakte aus Kempen, Grefrath, Willich und Tönisvorst zu finden sind. An die Menschen, die derzeit mit diesem nicht wirklich schönen Wort „Risikogruppe“ bezeichnet werden, gilt aber auch ein Appell: Lassen Sie sich helfen!

Gemeinsam – das ist das Credo in diesen Tagen – nur gemeinsam kann diese Krise bewältigt werden. Wenn man dazu gleichzeitig Abstand halten und Kontakte einstellen muss, ist das ohne Frage noch einmal schwieriger. Es dürfte vielen von uns das Herz zerreißen, wenn die Kinder im Moment nicht zu Oma und Opa dürfen. Ganz abgesehen davon, dass die Großeltern als wichtige Betreuungsinstanz mit viel Fürsorge und Liebe einfach wegfallen. Ich habe selbst zwei Kinder, die drei und fünf Jahre alt sind. Ich weiß, dass das hart ist. Aber es ist machbar. Vor allem, weil die Alternativen weitaus schlimmer sind. Wenn wir uns in den nächsten Wochen nicht so einschränken, wie es Regierung und Wissenschaftler fordern, werden wir eine für uns schon jetzt dramatische Lage nicht in den Griff bekommen.

Was wir gerade durchmachen ist eine „Bewährungsprobe für die soziale Demokratie“. So hat es der Kempener Politikwissenschaftler Klaus-Peter Hufer im Gespräch mit der WZ ausgedrückt. Damit liegt er genau richtig. Eine Bewährungsprobe klingt für einen Sport- und Fußballverrückten wie mich nach einer Herausforderung. Die nehme ich an! Wie sieht es bei Ihnen aus? Machen Sie mit?