Stadtbild Reklame nach klaren Vorgaben
In Kempens Altstadt lohnt sich der Blick nach oben — auf die historischen Fassaden sowieso, aber auch auf die Vielfalt der Werbeanlagen. Ein Rundgang.
Kempen. Früher hängte der Handwerker das, was er war und was er konnte, ans Haus: Als Zeichen seines Tuns und Könnens waren Zunftschilder ab dem Mittelalter prägend. Der Stolz auf Gewerk und Geschäft ragte als Schild an der Fassade in die Gasse hinein und machte die kleinen Produktions- und Verkaufsstätten in den Städten weithin sichtbar.
Kempen pflegt diese Hingucker an Geschäftsräumen bis heute in vielen modernen Adaptionen, ob als flächige Anlage an der Fassade oder als Ausleger, Aussteckerschilder genannt. Der Hinweis auf die Thomas Druckerei an der Burgstraße ist eines der ältesten Beispiele in der Stadt.
Reklame von heute bekommt aber einen Rahmen, klare Vorgaben, damit das historische Stadtbild einheitlich und, sagt Denkmalpfleger Karl-Josef Schaaff, „hochqualitativ“ bleibt. Vor allem die „Aussteckerschilder“ geben der „lebendigen Altstadt“ den besonderen Look. Egal, ob historisierend oder modern — jede gestalterische Veränderung an Fassaden ist „erlaubnispflichtig“. Schaaf leistet bei Geschäftsinhabern intensive Überzeugungsarbeit. Er versteht sich als Kümmerer. „Vielleicht fühlt sich der ein oder andere gegängelt, aber im Großen und Ganzen geht es um die Aufwertung und Weiterentwicklung des Stadtbildes, um den Qualitätsstandard.“
Die Einheitlichkeit der Werbung wie sie zum Beispiel am Prinzipalmarkt in Münster erreicht werde, wo selbst große Marken sich der historischen Umgebung unterordnen und sogar auf typische Farbgebung verzichten, ist aber nicht das Ziel. Eher die Vielfalt in Einheit. Die Linie der Stadt Kempen ist klar definiert. „Alle werden gleich behandelt“, betont Schaaff, Ansprechpartner für allein 60 Einzelhändler innerhalb der zwei Kilometer langen Stadtmauer.
Werbeanlagen, ob ein „dezenter Schriftzug aus Einzelbuchstaben oder Aussteckerschildern“ dürfen nicht höher angebracht werden als „die Fensterbank des ersten Obergeschosses“. Sie dürfen nur indirekt beleuchtet oder angestrahlt sein. Leuchtkästen, die bis hinauf zur Regenrinne reichen, würden heute nicht mehr genehmigt, sagt Schaaf. Werbung, die vor dieser Grundsatzentscheidung angebracht worden ist, habe aber Bestandsschutz.
Apropos Grundsatz: Die Linie, an der sich alle orientieren, ist vor 15 bis 20 Jahren festgelegt worden. „Mit der Vorgängergeneration des jetzigen Werberinges“, so Schaaff. „Spielwaren Stein, Sport Krahn und der damalige Herrenausstatter Niermann haben maßgeblich daran mitgewirkt.“
Beim Rundgang durch die Altstadt macht Schaaff immer wieder auf besonders gelungene Werbeanlagen aufmerksam. Messing statt Plastik beispielsweise, da schlägt das Herz des Denkmalpflegers höher. Er hat in seiner mehr als 20-jährigen Dienstzeit bisher bereits 200 Werbeanlagen genehmigt.
„Die Ausstecker und der Schriftzug der Pizzeria „La Piazza“ am Buttermarkt etwa sind schulmäßig. „Alles richtig gemacht“, so Schaaff. Auch die grünen Buchstaben der Bäckerei Peerbooms an der historischen Fassade seien ein Vorzeigebeispiel. Genauso wie das Aushängeschild von Salon Horster an der Kuhstraße.
Originell findet Schaaff den ausgestreckten Ausleger-Arm mit Faust, der die Platte von „B3 Home and Style“ an der Judenstraße trägt. Oder gleich gegenüber das Fahrrad in der Radsport Claassen-Fassade. „Einfach genial“ sei auch die in den Putz gesteckte Brille von Optik Nentwig an der Engerstraße. Klassisch schön sei der Schriftzug von Wissink, der Buchhandlung an der Burgstraße.
Schaaff rät von Hinweistafeln ab, die mit Informationen überfrachtet sind. „Ein einzelnes Symbol“ sei oft zielführender. Sehr zufrieden ist Schaaff, wenn er die Burgstraße entlang auf die Engerstraße blickt. In der Sichtachse haben die Namenszüge der Modegeschäfte „Gina Laura“ und „Jeans Fritz“ die ehemalige Netto-Reklame abgelöst — „zugunsten der Ortsbildqualität“. Die Enger-Apotheke trug früher ein „Leuchtkastenmotiv bis unter die Traufe“, sagt Schaaff. „Der Eigentümer hat es beseitigt.“ Auch die dezenten Schriftzüge von Cravatte und Pleines in der Sichtachse vom Buttermarkt in Richtung Ellenstraße und Studentenacker seien vorbildlich in ihrer Gestaltung. Für geglückt hält Schaaff ebenfalls die einheitlichen und einfarbigen Schriftzüge der Klosterhof-Geschäfte.