Literatur Traum erfüllt: Bei Anruf Schriftstellerin
Die Kempenerin Annette Feldmann hatte seit ihrem elften Lebensjahr einen Wunsch — dann meldete sich ein Verlag aus Berlin.
Kempen. Irgendwann in diesem Jahr bekam Annette Feldmann den Anruf, auf den sie schon lange gewartet und mit dem sie eigentlich nicht mehr gerechnet hatte. Ein kleiner, junger Verlag aus Berlin meldete sich bei der Kempenerin und fragte nach ihrem unveröffentlichten Buch, das 2012 für einen renommierten Kinder- und Jugendliteraturwettbewerb nominiert worden war.
„Ich hatte bei diesem Telefonat sofort Herzklopfen“, erzählt die 40-Jährige. Sofort schickte sie ihren Entwurf in die Hauptstadt und erhielt einen Monat später das erlösende Okay: Der Verlag wollte es drucken. „Dieser Moment war der Wahnsinn — schließlich wollte ich seit meinem elften Lebensjahr Schriftstellerin werden.“
Dieser Traum wurde nun, mit ihrer ersten Veröffentlichung, Realität. Am 12. Oktober kam „Nichts sagen“ auf den Markt. Es ist kein leichter Stoff: Der Ich-Erzähler, Nils, wurde als 14-Jähriger missbraucht, vom Stiefvater. Jahrelang schweigt er, kämpft gegen die Dämonen in seinem Kopf. „Ich ertrug es nicht, angefasst zu werden. Dann kamen die Bilder. Sie tauchten ständig wieder auf. Vor allem nachts.“ Niemand kann ihm helfen — davon ist der junge Nils überzeugt. Das beste Verhalten aus seiner Sicht: „Nichts sagen“. Doch dann kommt das Studium — und eine echte Liebe.
Annette Feldmann hatte das Thema bereits in der zwölften Klasse im Rahmen einer Kurzgeschichte verarbeitet — als Nicht-betroffene, wie sie betont. Doch eine Schulfreundin reagiert damals heftig: „Ihrem älteren Bruder war das Gleiche passiert“, so die Autorin. Sie fasste daraufhin den Entschluss, ein Buch über Kindesmissbrauch zu schreiben. 2011 war es fertig, fand aber keine Abnehmer.
Auf zwei Ebenen — Schulzeit, Studienzeit — lässt die gebürtige Weselerin den Leser an Nils’ Schicksal teilhaben. An seiner Ohnmacht, seiner Wut, seiner Sprachlosigkeit. Und an seinem für die Umwelt unerklärlichen Verhalten: Ein Freund macht einen Teenager-Spruch, er schlägt ihm ohne Vorwarnung ins Gesicht. Er ist verliebt in Ari und lügt sie an. Bis er — endlich — den Mut und die Sprache findet, um von seinen traumatischen Erlebnissen zu erzählen.
„Das Buch ist ab 14 Jahren geeignet, aber auch junge Erwachsene können es noch lesen“, findet die Verfasserin. Mittlerweile sitzt sie am zweiten Buch, wieder für eine junge Leserschaft. So viel verrät Annette Feldmann schon: „Es geht um ein Mädchen, das mit einer bestimmten Diagnose klarkommen muss.“