Verantwortlich für 35 Millionen Euro

Der Schreibtisch von Ursula Bongaerts steht bei der Kulturstiftung des Bundes in Halle. Dort ist sie unter anderem für die Auswertung der Fördertätigkeit der Stiftung zuständig.

Foto: Daniel Boss

St. Tönis/Halle. Neulich war Ursula Bongaerts mal wieder in der Heimat. Die Ur-St. Töniserin, aufgewachsen am Pastorsbusch, hat ihren Vater besucht. Die Bindungen sind also noch eng, auch wenn die 56-Jährige aufgrund ihres außergewöhnlichen Berufslebens seit vielen Jahren ihren Lebensmittelpunkt hunderte Kilometer entfernt hat. Etwa in Rom: Als die WZ Ursula Bongaerts im Frühjahr 2007 in der Ewigen Stadt besuchte, war die Niederrheinerin bereits zehn Jahre vor Ort. Sie leitete die „Casa di Goethe“. Seit 1997 befindet sich in einem großen, historischen Mietshaus „Deutschlands einziges Museum im Ausland“.

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Unter der heutigen Adresse Via del Corso 18 nahm seinerzeit der geniale Schöpfer des „Faust“ während seiner Italienreise zwischen 1786 und 1788 Quartier. In einer Künstler-WG wohnte Johann Wolfgang von Goethe mit dem Maler Johann Heinrich Wilhelm Tischbein und anderen kreativen Köpfen nahe der Piazza del Popolo. Im Jahr 2012 schaffte es die Museums-Chefin, dass der Deutsche Bundestag Mittel zur Vergrößerung des Museums bereitstellte. Nun gehören auch Räume im zweiten Stock dazu, nachdem jahrelang lediglich die erste Etage zur Verfügung stand. Es war sozusagen das Abschiedsgeschenk von Ursula Bongaerts.

Denn 2013 wechselte sie den Arbeitsplatz. Vom Tiber ging es an die Saale, oder - wie Ursula Bongaerts es ausdrückt —, „vom Katholizismus ins Zentrum des Pietismus“. Ihr Schreibtisch steht seitdem in Halle, wo sie für die Kulturstiftung des Bundes tätig ist (siehe Info-Kasten). Es ist der zweite große Abschnitt einer beachtlichen Karriere im deutschen bzw. europäischen Kulturleben. Als Leiterin der Abteilung Programm-Management und Evaluation ist sie mit für die Auswertung der Fördertätigkeit der Stiftung zuständig. „Wir prüfen, ob die Strukturen und Förderinstrumente unserer Programme funktionieren“, erklärt die 56-Jährige. „Wir betrachten Evaluation als ein Lern- und Steuerungsinstrument, wollen aber natürlich auch Rechenschaft abgeben.“ Es geht um 35 Millionen Euro jährlich, die aus dem Haushalt der Staatsministerin für Kultur und Medien, und damit vom Steuerzahler, bereitgestellt werden.

Der Wechsel von Rom nach Halle geschah freiwillig, wie Ursula Bongaerts betont. „Ich wollte etwas anderes machen und auch wieder zurück nach Deutschland — so schön Rom auch ist“, erzählt sie. Halle gefalle ihr sehr gut. „Es ist von der Größe und der universitären Prägung ein wenig mit Bonn vergleichbar“, hat sie festgestellt. Den Osten Deutschlands kannte sie vorher kaum. Das hat sich gründlich geändert. „Ich habe jetzt ein vollständigeres Deutschlandbild.“ Mit ihrem Mann Friedrich Christian Delius, einem der renommiertesten Schriftsteller des Landes, unternimmt sie viele Reisen durch die gar nicht mehr so neuen Bundesländer. Seinen Hauptwohnsitz hat das Paar in Berlin.

Eigentlich hatte Ursula Bongaerts (hinter dem a steht übrigens ein niederrheinisches Dehnungs-e) Lehrerin werden wollen. Nach dem Abi an der Krefelder Marienschule begann sie ihr Studium der Geschichte und Germanistik. Als sie es beendete, gab es aber keine freien Stellen in Schulen. Sie begann mit der Promotion, arbeitete beim „Haus der Geschichte“ in Bonn.

Beim Arbeitskreis selbstständiger Kultur-Institute half sie acht Jahre lang bei der Aufbauarbeit für die „Casa di Goethe“.

Schließlich wurde sie selbst Leiterin des neuen Hauses. Offenbar mit großen Erfolg: Für diese Arbeit erhielt sie im vergangenen Jahr das Bundesverdienstkreuz.