Kempens CDU-Chef im Interview „Brauchen eine Möglichmacher-Mentalität“

Kempen · Ein Interview mit dem neuen CDU-Vorsitzenden Philipp Kraft über das Programm der Partei und eine mögliche Kandidatur als Bürgermeister.

 CDU-Vorsitzender Philipp Kraft (l.) im Gespräch mit WZ-Redaktionsleiter Tobias Klingen in der Redaktion an der Moosgasse.

CDU-Vorsitzender Philipp Kraft (l.) im Gespräch mit WZ-Redaktionsleiter Tobias Klingen in der Redaktion an der Moosgasse.

Foto: Lübke, Kurt (kul)

74,4 Prozent – mit diesem Ergebnis wurde Philipp Kraft Ende September zum CDU-Vorsitzenden gewählt. Seitdem hat sich der 44-Jährige in den Vorstandsjob eingearbeitet. Nun will der Personalmanager des Neusser Weltkonzerns 3M Akzente setzen. Vor dem CDU-Neujahrsempfang am heutigen Freitag stellte sich Kraft den Fragen der WZ.

Herr Kraft, seit Herbst sind Sie Vorsitzender der Kempener CDU. Was ist seitdem in der Vorstandsarbeit passiert?

Philipp Kraft: Zunächst habe ich mir die Abläufe angeschaut, habe allen zugehört, habe mich mit den Strukturen beschäftigt.  Wir sind im Vorstand gut aufgestellt, die Vernetzung zum Kreisverband ist gut und insbesondere die Zusammenarbeit mit unserem Fraktionsvorsitzenden funktioniert – ich werde sehr gut eingebunden. Und dann haben wir uns mit wichtigen Sachthemen beschäftigt. Welche Themen müssen wir vorantreiben? Was ist wichtig für Kempen? Welche Fragen müssen wir als CDU beantworten?

Sie haben die Fragen schon gestellt: Was steht nun auf Ihrer Agenda?

Kraft: Es sollte für die CDU darum gehen, in fünf Kernthemen möglichst viel für die Bürger zu erreichen: Zuerst das Thema Wohnen und Infrastruktur, zu dem auch die Planung des Kempener Westens gehört. Dann geht es um den Bildungsstandort Kempen mit dem Projekt Schulcampus. Auch die Wirtschaftsförderung ist ein Kernthema, ebenso die personelle Entwicklung der Stadtverwaltung. Und dann sollte es auch Antworten zur Zukunft der Burg im Herzen unserer Stadt geben.

Dann arbeiten wir diese Kernthemen doch mal ab. Wie will die CDU bezahlbaren Wohnraum in Kempen schaffen?

Kraft: Zunächst möchte ich herausstellen, dass die Preisstruktur in Kempen ein Signal dafür ist, dass die Stadt in den vergangenen Jahrzehnten unter maßgeblicher Führung der CDU viel richtig gemacht hat. Wir haben eine belebte Innenstadt, ein gutes Angebot bei Kitas und Schulen, kulturelle Angebote und eine gute Anbindung an die Großstädte. In Kempen leben die Leute gerne. Für diese gesamte Infrastruktur zahlt man eben etwas mehr. Das ist völlig in Ordnung. Trotzdem müssen wir dafür sorgen, dass junge Familien und Arbeitnehmer, die bei Kempener Firmen oder auch in der Verwaltung angestellt sind, sich hier angemessenen Wohnraum leisten können. Das ist auch ein wirtschaftlicher Standortfaktor. Ein Weg sollte sein, dass wir in künftigen Baugebieten nicht mehr so großzügig planen wie zuletzt im Süden. Das gilt in erster Linie jetzt für den Westen. Ich halte einen Viertel-Mix für sinnvoll – verteilt auf Einfamilien-, Doppel-, Reihen-und Mehrfamilienhäuser.

Ist eine städtische Baugesellschaft ein Lösungsansatz?

Kraft: Nein, das halte ich nicht für sinnvoll. Wir haben mit der Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft für den Kreis Viersen einen Partner, der auch in Kempen auf diesem Feld aktiv ist. Wir benötigen hier keine Parallelstrukturen. Wir brauchen allerdings ein städtisches Gebäudemanagement für die Bestandsimmobilien.

Sie haben den Kempener Westen schon angesprochen. Da geht’s auch um die Verkehrsführung. Welche Lösung halten Sie für sinnvoll?

Kraft: Wichtig ist, dass wir im Kempener Westen groß denken – also den gesamten Rahmenplan für eine Bebauung betrachten und diesen möglichst noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg bringen, um die Genehmigung der Aufsichtsbehörden zu erwirken. Und da gehört bei der Verkehrserschließung für mich vor allem die West-Tangente als Lückenschluss der Umgehungsstraße auf den Tisch. Das ist übrigens ein Thema, dessen sich selbstverständlich auch der Kreis und das Land NRW annehmen müssen – schließlich geht es hier beispielsweise nicht nur um den innerstädtischen Verkehr, den es möglichst anwohnerfreundlich und effizient zu lenken gilt.

Nächstes Kernthema: Was macht denn für Sie den Bildungsstandort Kempen aus?

Kraft: Dazu gehört natürlich eine gute Betreuung im Bereich der Kindertagesstätten und Tagespflege. Da wird ja auch schon einiges auf den Weg gebracht. Wichtig ist aber auch der Übergang in die Grundschule und die dortige Betreuung. Eltern, die beide arbeiten wollen und müssen, brauchen Lösungen. Dort, wo Oma oder Opa nicht einspringen können, brauchen Eltern Verlässlichkeit. Auch das ist wieder ein Standortfaktor für Kempen. In diesem Bereich muss Kempen vielleicht noch flexibler werden. Zum Kernthema gehört natürlich auch das Projekt Schulcampus. Hier reden wir über die Ausrichtung unserer weiterführenden Schulen für die nächsten Jahrzehnte – baulich und pädagogisch.

Beim Schulcampus hat sich die Verwaltungsspitze im Prinzip schon festgelegt: Umfangreiche Sanierungen ja, Neubauten nein. Wie finden Sie diese Herangehensweise?

Kraft: Das ist so ähnlich wie beim Kempener Westen. Warum soll ich am Beginn einer Diskussion etwas ausschließen? Ich halte in diesem Fall nichts davon, zu einer Kreuzung zu fahren und schon vorher eine Richtung festgelegt zu haben, ohne die Optionen zu diskutieren. Wenn es letztlich sinnvoller ist, auf einen Neubau zu verzichten, dann ist das in Ordnung. Aber in den Überlegungen eines solchen Projektes darf nichts vorab ausgeschlossen werden.

Sie arbeiten für ein weltweit tätiges Unternehmen. Die Wirtschaftsförderung dürfte in Ihren Überlegungen eine wichtige Rolle spielen.

Kraft: Absolut. Deshalb ist es richtig, dass Kempen nun einen zusätzlichen Wirtschaftsförderer bekommt. Das ist ein Querschnittsthema, in dem viele Bereiche einer Verwaltung eine Rolle spielen. Ein Wirtschaftsförderer muss diese Themen bündeln und vermitteln. Er oder sie muss mit den Unternehmen im Austausch sein. Die Unternehmer, die seit Jahren oder Jahrzehnten maßgeblich mit dafür sorgen, dass es Kempen so gut geht, brauchen Unterstützung, brauchen praktische Lösungen. Im Rathaus sollte deshalb eine Möglichmacher-Mentalität herrschen. Wirtschaftsförderung ist aber nicht nur ein Kempener Thema, sondern ein regionales. Die Aufgaben sind deshalb eng mit Dr. Jablonski von der WFG abzustecken. Kempen sehe ich da eingebettet im Kreis Viersen. Auch die Nähe zu den Niederlanden und die sich dadurch ergebenden Chancen sind ein Regionen-Thema.

Als Führungskraft im Personalbereich eines Konzerns: Wie bewerten Sie denn die personelle Struktur der Kempener Stadtverwaltung, vor allem im Führungsbereich?

Kraft: Das von außen zu beurteilen, ohne die Abläufe zu kennen, steht mir nicht wirklich zu. In meiner Wahrnehmung fehlt mir zum Teil ein gutes Miteinander. Es wird nicht immer an einem Strang gezogen. Für eine genaue Analyse bin ich aber nicht nah genug dran. Festzuhalten ist, dass die Verwaltung in vielen Führungspositionen vor einem Umbruch steht. Mehrere Dezernats- und Amtsleitungen müssen bald neu besetzt werden. Da brauchen wir gute Leute und die sind auf dem Arbeitsmarkt rar. Deshalb ist das auf der einen Seite eine große Herausforderung, bietet gleichzeitig allerdings die Chance für neue Impulse in unserem Rathaus.

Frei wird im nächsten Jahr auch der Posten des Bürgermeisters. Volker Rübo wird 2020 nicht mehr antreten. Welche Gedanken macht sich die CDU bei der Kandidatensuche? Oder ganz konkret: Werden Sie dieser Kandidat sein?

Kraft: Richtig ist, dass Volker Rübo die CDU-Fraktion, mich als Parteivorsitzender und meines Wissens nach auch die übrigen Fraktionen in der vergangenen Woche darüber informiert hat, dass er 2020 nicht erneut für das Amt des Bürgermeisters kandidiert. Er gibt uns damit nun ausreichend Vorlauf, diese wichtige Personalie – wer im Interesse von Kempen und seinen Bürgerinnen und Bürgern für die CDU kandidieren wird – vorzubereiten. Das werden wir nun mit der notwendigen Sorgfalt unter meiner Führung tun.

Bleiben wir noch bei der Kommunalwahl 2020. Danach könnten sich die Mehrheitsverhältnisse im Rat durchaus verändern – die AfD könnte dann auch in Kempen eine Rolle spielen. Wie richten Sie die CDU in Richtung der anderen Fraktionen aus? Gibt es potenzielle Partner?

Kraft: Gerade auf kommunaler Ebene geht es um die Lösung von ganz konkreten Sachfragen unmittelbar vor Ort. Die berechtigte Erwartungshaltung unserer Bürgerinnen und Bürger besteht darin, dass es den demokratischen Parteien immer vorrangig um Kempener Belange und nicht um die parteipolitische Profilierung geht. Deshalb wird die CDU offen sein, gemeinsam mit allen Demokraten im Rat lösungsorientiert zu arbeiten. Allerdings ist die CDU in Kempen die stärkste politische Kraft und wird natürlich eine Führungsrolle beanspruchen. Für uns als Vorstand, Mandatsträger und Mitglieder heißt das, dass wir hart dafür kämpfen werden, damit die CDU bei der Kommunalwahl möglichst viele Stimmen und damit das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger gewinnt. Gleiches gilt für die Europawahl im Mai.

In Ihrer Vorstellungsrede im September haben Sie sich klipp und klar von der AfD abgegrenzt. Eine Öffnung der CDU in diese Richtung kommt für Sie also nicht infrage?

Kraft: Solange diese Partei menschenverachtendes und rechtsradikales Gedankengut à la Höcke in ihren Reihen duldet, muss jeder Demokrat auf große Distanz dazu gehen. Das, was aus Reihen der AfD propagiert wird, geht gar nicht.

Blicken wir zum Schluss noch auf die Bundes-CDU, die sich nach dem Rückzug von Angela Merkel vom Parteivorsitz in einem Veränderungsprozess befindet. Sind Sie näher bei der neuen Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer oder näher bei Friedrich Merz?

Kraft: Ich sehe rund um die jüngste Vorstandswahl keinen tiefgreifenden Richtungsstreit, kein Entweder-Oder. Im Rahmen einer Volkspartei können und müssen wir viele Ideen und Strömungen abdecken. Friedrich Merz hat viele Dinge gesagt, die absolut richtig sind. Es dürfte klar geworden sein, dass sich ein großer Teil der Mitglieder eine konservative Nachschärfung wünscht. Es ist aber ebenso klar, dass es keine Rolle rückwärts geben darf. Konservativ heißt für mich, dass man auf Bewährtem aufbaut und den Anspruch hat, daraus die  Dinge weiterzuentwickeln. Das ist nun die Aufgabe von Annegret Kramp-Karrenbauer – und wir werden sie dabei nach besten Kräften unterstützen.