Zwischen Kulis, Keksen und Kokolores
Überwiegend kritisch äußern sich Bürger über Wahlwerbung mit Plakaten und Geschenken. Weg gehen Kulis und Kekse trotzdem.
Willich. „Was das alles kostet, die TV-Spots, die Plakate, die kleinen Präsente“, schüttelt der 55-jährige Thomas Frenken mit dem Kopf. Ihn trifft man in Willich mit seinen Eltern, Josef und Hannelore Frenken, vor dem Cafè Kleeberg bei einer Tasse Kaffee. Frenken ist bedient von den plakativen und teuren Wahlkämpfen und schlägt stattdessen vor: „Jede Partei sollte darauf verzichten, lieber das dann eingesparte Geld in die Schulen oder in die Jugendfreizeiteinrichtungen stecken.“
Redaktion vor Ort
Gerade baut auf dem Willicher Marktplatz die CDU ihren Info-Stand auf. Es gibt neben den Flyern unter anderem Kulis und Kekse. „Ein totaler Quatsch, ich wähle doch nicht danach, welcher Keks mir besser schmeckt oder welche Rose besser duftet“, fühlt sich der 82-jährige Franz Przybysch, der seit 45 Jahren in Willich wohnt, von den Aktivitäten und vielen Statements jeweils kurz vor den Wahlen verschaukelt. Er kommentiert: „Es wird dabei viel gelogen, so dass ich auch von den großen Parteien sehr enttäuscht bin.“ Er lässt es noch offen, ob er am 24. September seine Stimme im Wahllokal abgibt.
Der Rentner Hans-Gottfried Weyers hat am CDU-Stand fünf kleine Kekspackungen bekommen. Sonderlich beeindruckt ist er davon nicht: „Das ist doch Kokolores“, sagt er. Lieber würde er den Abgeordneten Uwe Schummer einmal persönlich sprechen. „Er kommt gleich hierher zum Stand“, informiert ihn Schummers Mitarbeiter Christian Pakusch.
Allerdings sieht man auch Menschen, die sich gegenüber der WZ kritisch über Wahlwerbung äußern — und dann trotzdem mal am CDU-Stand gucken gehen, ob bei den Give-aways etwas Nützliches dabei ist. Dazu Christian Pakusch: „Ich höre das oft, dass man die Plakate, die Information an den Ständen oder die kleinen Aufmerksamkeiten nicht braucht. Macht man aber gar nichts, wird hinterher oft gesagt: Ihr habt das wohl nicht mehr nötig.“
Franz Przybysch zu Wahl- geschenken der Parteien
„Sicherlich habe ich einen Schrecken bekommen, als ich hörte, dass rund sieben Millionen Deutsche ihre Stimmabgabe bei der Bundestagswahl davon abhängig machten, wer beim TV-Gipfel überzeugender war, Angela Merkel oder ihr Herausforderer Martin Schulz“, sagt Helmut Goedhart (69). Von daher könne für die Unentschlossenen die Präsenz kurz vor Stimmabgabe schon was bringen, obgleich man sich vorher für ein Programm entscheiden sollte. Goedhart macht keinen Hehl daraus, CDU zu wählen. Schon alleine deshalb, weil er Uwe Schummer noch aus der Zeit als 400-Meter-Läufer bei Bayer Uerdingen kennt. Goedhart ist seit Jahrzehnten Laufrichter bei leichtathletischen Disziplinen, so auch am 24. September bei einem Sportfest in Duisburg im Einsatz. „Daher habe ich bereits meine Stimme per Briefwahl abgegeben.“
Bernard Faas
Einige sprechen bei Plakatwerbung von einer „Dreistigkeit“. Eine 78-Jährige, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, meint: „Die viele Werbung brauche ich nicht, ich bin froh, wenn der Wahlsonntag vorbei ist, wähle sowieso das, was ich immer gewählt habe.“ Mit den kleinen Präsenten könne sie nicht viel anfangen, „vielleicht hier und da mal mit einem Kugelschreiber. . .“
„Auf die Sprüche und Attacken vor den Wahlen kann ich gerne verzichten, die Politiker müssen mich in der ganzen Wahlperiode überzeugen“, sagt Bernard Faas, den man auf einigen Wochenmärkten als „Uhren-Doktor“ besser kennt. „Vieles bei den Werbeaktionen und Slogans ist mir viel zu unpräzise und künstlich, wichtig ist das Programm und das Handeln der Parteien“, äußert ein 71-Jähriger, der gerade auf dem Markt seinen Sohn und seine Enkelin trifft. Sein 39-jähriger Sohn sieht dies ein wenig anders: „Es ist schon interessant zu betrachten, wie und mit welchen Argumenten die Parteien sprich ihre Werbeagenturen die anderen übertrumpfen wollen.“ Man könne darüber nur schmunzeln.
CDU-Ratsfrau Barbara Jäschke hat naturgemäß keine Probleme mit Wahlwerbung. Wobei sie sich auch die Plakate der Konkurrenz genau anschaut. „Christian Lindner hat darauf eine Model-Wirkung“, sagt sie lächelnd. Das spreche Frauen besonders an. Insgesamt hat sie jedoch den Eindruck, dass weniger Wahlwerbung als früher auf den Straßen zu sehen ist.
Ihre CDU-Ratskollegin Ursula Bloser stört an den Lindner-Plakaten die kleine Schrift. „Das kann ich doch gar nicht lesen. Aber anhalten kann ich als Autofahrerin auch nicht.“ Ihr Gesamturteil zur Plakatwerbung: „Wenn sie inhaltlich und ästhetisch gut sind, habe ich nichts dagegen.“ Und zu den Kosten für das Werbematerial sagt sie: „Die Parteien müssen selbst entscheiden, wofür sie das Geld ausgeben.“
Susanne Fröhlich kommentiert auf der Facebookseite von WZ Niederrhein: „Die Kulis sind genauso unbrauchbar wie beide Kandidaten.“
Frank Wilbers postet an gleicher Stelle: „Das Geld, das man für diese Give-aways verschleudert, sollte man lieber mal in Löcher in den Straßen usw. investieren.“