Digitalisierung in Nettetal Kritik an langsamer Digitalisierung

Nettetal. · Bürgermeister Wagner verteidigte sich gegen die Vorwürfe von Grünen und CDU.

Die Treppe im Rathaus muss man demnächst seltener benutzen, verspricht die Stadt.

Foto: Busch, Franz-Heinrich sen. (bsen)

Die Stadtverwaltung will moderner werden: „Wir wollen moderne Angebote für die Bürger durch Digitalisierung liefern, dazu gehört auch mehr Service durch Online-Dienste“, versprach Bürgermeister Christian Wagner (CDU). Was genau dahintersteckt, erläuterte er im Haupt-, Finanz- und Wirtschaftsförderungsausschuss.

Dabei geriet Wagner in Erklärungsnot, warum in Nettetal die Digitalisierung länger dauert als in anderen Kommunen. Deutlich wurde im Ausschuss auch: Elektronische Angebote sollen persönliche Beratung nicht gänzlich ersetzen.

Als E-Government wird eine elektronische Verwaltungsstruktur in Behörden bezeichnet. Die scheint im Nettetaler Rathaus noch in den Anfängen zu stecken: „Nettetal hinkt doch sehr hinterher. Andere Kommunen in der Nähe sind schon weiter“, sagte Guido Gahlings, Fraktionschef der Grünen. „Wir drängen sehr, dass es weitergeht.“ Seine Fraktion hatte bereits 2016 angefragt, wie es die Verwaltung mit E-Govern­ment halte, und nun erneut nachgehakt, wie „Maßnahmen nach gesetzmäßigen Vorgaben umgesetzt“ werden.

Denn das „Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung in Nordrhein-Westfalen/E-Government-Gesetz“ schreibt den Kommunen vor, zügig entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. „Das alles bedeutet sehr viel Aufwand von Anfang an“, warb Wagner um Verständnis für den langwierigen Vorgang, die Verwaltung müsse entsprechend ausgestattet sein. Zudem sei man bei einigen digitalen Prozessen eingebunden in Vorgaben des Kommunalen Rechenzentrums Niederrhein (KRZN). Eine wichtige freie Personalstelle müsse noch besetzt werden, und Details zur Umsetzung des Gesetzes sollen mit dem dann zuständigen neuen Ersten Beigeordneten Michael Rauterkus abgestimmt werden, der ab Januar 2019 seine Stelle antritt.

Spätestens ab Neujahr, so sieht es das Gesetz vor, muss zum Beispiel die „Elektronische Bezahlmöglichkeit“ (E-Payment) gewährleistet werden. Zurzeit laufen laut Wagner „die Vorbereitungen zur Einführung von E-Payment in Zusammenarbeit mit dem KRZN“. Stand jetzt soll alles ab 1. Januar 2019 funktionieren: „Dann können Gebühren, die sich aus Verwaltungsbescheiden ergeben, online bezahlt werden“, sagte der Bürgermeister zu.

Knöllchen können ab
Januar online bezahlt werden

Das bedeutet in der Praxis: Gibt’s ein Knöllchen wegen Falschparkens, kann die Gebühr in einem „im elektronischen Geschäftsverkehr gängigen und hinreichend sicheren Zahlungsverfahren“ entrichtet werden, ähnlich wie im Online-Handel.

Bereits jetzt biete die Stadt manchen Service online an: „Was viele gar nicht wissen: Man kann auch online abfragen, wann der neue Ausweis fertig ist“, nannte Wagner als Beispiel. Auch Ticket-Bestellungen fürs Theater, Bücherei-Ausleihe oder Einsicht in Sitzungsunterlagen von Ausschüssen – all das online zu regeln, sei in Nettetal längst Standard.

Langfristig sollen entsprechend der Gesetzesvorgabe beispielsweise Ausschreibungen („E-Vergabe“), Gewerbeauskünfte oder Terminvergaben zum digitalen Angebot gehören.

Das reichte den Grünen nicht: „Wir haben nicht den Eindruck, dass man in der Verwaltung mit der angemessenen Vehemenz darangeht“, kritisierte Gahlings. Wagner schildere viel Theoretisches: „Aber wie sieht die Strategie aus?“ Umstrukturierungen in der Verwaltung und Abwarten auf den neuen Ersten Beigeordneten bedeuteten, dass viel Zeit verloren gehe. Wagner bat deshalb um Geduld: „Ab dem nächsten Jahr werden wir durchstarten!“

Auch Jürgen Boyxen (CDU) bemängelte, dass alles sehr lange dauere. Immerhin habe die „Verwaltung eingesehen, dass etwas getan werden muss“. Aber es müsse zügiger vorangehen: „Die CDU begrüßt deshalb ausdrücklich die Initiative der Grünen.“ Allerdings mahnte Boyxen auch, die Digitalisierung nicht wie eine „neue Religion“ überzubewerten. Sie dürfe nur „ein praktisches Werkzeug“ sein: „Manche Menschen tun sich schwer damit. Sie wollen lieber den persönlichen Kontakt in Behörden.“ Wenn eine Kommune im Umgang mit Bürgern ausschließlich auf Digitalisierung setze, laufe sie „Gefahr, einen Großteil der Bevölkerung abzuhängen“.