Lobberich Das WJG bereitet Wechsel auf G9 vor
Lobberich. · Hartmut Esser, Leiter des Werner-Jaeger-Gymasiums, begrüßt das längere Lernen.
Es gibt eine Frage, die beantwortet Hartmut Esser gar nicht gerne: Was bringt es, dass die Schüler durch G8 ein Jahr früher mit der Schule fertig sind als einst? Denn der Leiter des Werner-Jaeger-Gymnasiums (WJG) in Lobberich ist da selbst skeptisch. „Man muss sich fragen, ob es Sinn macht, Bildung unter Druck zu erzeugen“, sagt er. Darum begrüßt er es, dass an seiner Schule bald wieder das Abitur nach neun Jahren möglich ist. „Gerade die letzte Klasse ist ein wichtiges Jahr für die Reifung der Schüler“, sagt der 61-Jährige: „Mit bestimmten Dingen muss man sich auch einfach mal beschäftigen können und sie sich nicht nur in den Kopf knallen.“
In Nordrhein-Westfalen hatte der erste verkürzte G8-Jahrgang 2013 sein Abitur in der Tasche. Nach anhaltender Kritik rückten die Bundesländer jedoch von dem Konzept wieder ab, in NRW betrifft das ab dem Schuljahr 2019/20 die jetzigen Viertklässler und Schüler darunter. Am Werner-Jaeger-Gymnasium haben auch schon derzeitige Fünftklässler, die unter G8-Voraussetzungen auf die weiterführende Schule gestartet sind, ein Jahr länger Zeit für ihren Abschluss. Esser findet das besser, wie er sagt: „Wir produzieren ja nichts. Bildung braucht Zeit.“
Durch den damaligen Wechsel hin zu G8 entstand ein Doppeljahrgang, auf den sich Schulen und auch Universitäten vorbereiten mussten. „Das lief reibungslos“, sagt der Schulleiter. Durch die Zusammenlegung der beiden letzten Jahrgänge konnten mit den insgesamt rund 150 Schülern am WJG sogar Leistungskurse geschaffen werden, für die sich sonst nicht genügend Teilnehmer gefunden hätten. Den Schritt zurück empfindet Esser als „relativ unaufgeregt“, es werde nicht viel Aufhebens darum gemacht. Es sei eine gute Lösung, die Rücknahme nicht einfach durchzusetzen, sondern von unten anzufangen, mit den jüngeren Jahrgängen. „Die Art und Weise finde ich richtig“, sagt er.
Die nächsten Schritte müssten nun von der Landesregierung kommen, meint Esser: „Wir warten auf die endgültige Stundentafel.“ Im Frühjahr sollen die Lehrpläne fertig sein, danach müsse jede Schule gucken, wie sie die Vorgaben erfüllt. Wie schon beim Wechsel zu G8 bedeutet das unter anderem im Vorfeld: „Die Schulbücher müssen neu gemacht werden“, sagt Esser.
Es wird weiterhin Unterricht
am Nachmittag geben
Für G8 habe einiges an Themen gestrichen werden müssen, erinnert sich Esser, der Mathematik und Physik unterrichtet. „Gerade in Mathe sind Spezialfälle weggefallen, die wichtig sind“, sagt er. „Und es ist Zeit zum Lernen weggefallen.“
Die Eltern würden den G9-Wechsel mittragen. Elterninitiativen hatten sich dafür sogar stark gemacht. Derzeit noch haben Schüler der Sekundarstufe I 30 bis 34 Stunden Unterricht in der Woche; das bedeutet beispielsweise für Fünftklässler einen Nachmittag Unterricht pro Woche und für Schüler der achten Klassen zwei Nachmittage. Dass der Nachmittagsunterricht ganz wegfällt, glaubt Esser nicht: „Es geht nicht ohne den Nachmittag.“ Denn zum Beispiel für die fünften und sechsten Klassen gebe es eine Kooperation mit der Kreismusikschule, die in der sechsten bis neunten Stunde stattfindet. „Da werden wir wahrscheinlich bei bleiben“, sagt Esser. Doch an sich werde sich die Stundenzahl reduzieren – mit direkten Auswirkungen auch auf die Mensa der Schule. „Es wird eine spannende Frage, wie der Caterer damit zurecht kommt“, sagt Esser.
Der Schulleiter selbst hat 1976 Abitur gemacht – als letzter Jahrgang nach dem alten Modell, „mit Latein und Altgriechisch als Abiturfächer“, sagt Esser. Danach wurde die reformierte Oberstufe mit Kursen eingeführt, wie es sie noch heute gibt. Den Wechsel zurück zu G9 bereitet der 61-Jährige am WJG noch mit seinen Kollegen vor, die Umsetzung wird er allerdings nicht mehr unmittelbar mitbekommen – er verabschiedet sich im Sommer in den Ruhestand.