Prozess gegen Rentnerpaar

Hunderttausende Euro unterschlug das Paar aus Nettetal. Jetzt muss es vor das Landgericht.

Foto: Emily Senf

Nettetal/Krefeld. Dass alles so lange gut ging, habe wohl auch am Glück gelegen. So ganz genau kann die Angeklagte es nicht erklären. „Ich konnte nicht ahnen, dass alles platzt“, sagt Christa S. „Der ganze Wust ist mir erst aufgefallen, als es bergab ging.“

Die 69 Jahre alte Nettetalerin und ihr 79-jähriger Mann Kurt S. müssen sich seit gestern vor dem Krefelder Landgericht verantworten. Sie sollen Anleger um mehrere Hunderttausend Euro geprellt haben. Es geht um den Vorwurf des gewerbsmäßigen Betrugs. In der gestrigen Befragung gibt Kurt S. zu, eine Versicherungsagentur betrieben und darüber Geld angenommen, es aber nicht wie vereinbart angelegt zu haben.

Es habe sich aber nicht um ein sogenanntes Schneeballsystem gehandelt, bei dem ein Anleger mit dem Geld des Nächsten ausbezahlt wird, sagt seine Anwältin Ute Steinbrenner. Das Geld sei in die zahlreichen Firmen des Mannes geflossen und hätte aus deren Einnahmen zurückbezahlt werden sollen. Das habe er auch zunächst versucht. Im Dezember 2014 aber sei Kurt S. pleite gewesen. „Das war der Niedergang“, sagt er.

Verhandelt werden vor der Wirtschaftskammer zehn Fälle im Zeitraum zwischen 2010 und 2012. Deutlich wurde am ersten Prozesstag: Kurt S., in Nettetal geboren und verwurzelt, war jemand, dem die Menschen vertrauten. Teilweise sollen er und die Anleger sich seit Jahrzehnten gekannt haben, befreundet gewesen sein. So gaben sie ihm hohe Summen, 15 000 Euro etwa, manche mehr als 100 000 Euro, in einem Fall geht es um einen Darlehensvertrag über 450 000 Euro. Er soll Zinsen in Höhe von fünf bis sieben Prozent versprochen haben.

Über eine entsprechende Erlaubnis nach dem Kreditwesengesetz habe er nicht verfügt, so die Staatsanwaltschaft. Zu einer Rückzahlung der kompletten Beträge sei Kurt S. aufgrund seines Geschäftsmodells von Beginn an nicht in der Lage gewesen. Nur etwa 170 000 Euro soll er zurückgezahlt haben. „Er wusste, dass er in einigen Fällen einen außergewöhnlich hohen Schaden anrichtet“, sagt Staatsanwalt Marco Cornelius. Einige sollen um ihre Altersvorsorge gebracht worden sein.

Kurt S. Anwältin sagte, die Sache sei ihm peinlich, es tue ihm leid. Auch er selbst habe viel Geld verloren. Ein Leben in Saus und Braus will seine Anwältin nicht zeichnen. So sei das Paar nur einmal im Jahr in den Urlaub gefahren, für eine Woche in ein Hotel in der Schweiz. Es habe monatlich nur etwa 2000 Euro ausgegeben, das letzte Auto sei 20 Jahre alt gewesen. Heute lebe das Ehepaar von etwa 1800 Euro Rente im Monat.

Die Befragung des Angeklagten verläuft holprig. Manchmal kann er sich nicht genau erinnern, es fällt ihm schwer, zeitliche Abläufe zu bestimmen. Er berichtet, jahrelang einen Umsatz von 400 000 Euro jährlich gemacht zu haben. Bei einer Befragung der Polizei habe er 300.000 Euro genannt, sagt die Richterin. „300 000 bis 400 000“, antwortet Kurt S. Wo das ganze Geld hin ist, will die Richterin wissen. „Ich habe es immer angelegt“, sagt der 79-Jährige; in seine Firmen — er soll unter anderem Gesellschafter und Geschäftsführer mehrerer Bauträger gewesen sein. Bei der Insolvenz wurden sie abgemeldet. Er besaß mehr als 20 Wohnungen, dazu Häuser und Grundstücke.

Das alles lief auf den Namen seiner Frau, mit der er seit fast 50 Jahren verheiratet ist. Sie habe vor allem Hilfstätigkeiten wie Bankgänge erledigt, nie tiefen Einblick in die Zahlen gehabt, berichtet sie: „Es gab eine Finanzbuchhalterin.“ An den Gesprächen mit Kunden sei sie nicht beteiligt gewesen. Sie habe ihrem Mann vertraut. Ob sie von den 400 000 Euro Umsatz jährlich gewusst habe? „So genau habe ich mich da nie reingekniet“, sagt sie. Für die Richterin zeigt sich eine klare Rollenverteilung. „Woher das Geld kam, hat sie nicht interessiert?“, fragt sie. Christa S.: „Mein Mann hat alles bestimmt.“