Rechtsanspruch auf OGS-Platz würde für die Stadt teuer werden

Bundes- und Landesregierung wollen Eltern Betreuungsplätze für ihre Kinder zusichern. Das könnte Viersen Millionen kosten.

Foto: Endermann

Viersen. Viele Eltern kennen das Problem: Kommt der Sprössling vom Kindergarten in die Schule, beginnt eine nervenzehrende Zeit. Mütter, die nach der Elternzeit in den Beruf zurückgekehrt sind, stellen sich die Frage: „Bekommt mein Kind einen Platz in der offenen Ganztagsbetreuung?“ Jeder dritte Grundschüler in Viersen hat aktuell einen sogenannten OGS-Platz, wird also auch nach Unterrichtsende bis in die Nachmittagsstunden betreut. Weitere 19 Prozent der Grundschüler nehmen das Betreuungsangebot „Schule von 8 bis 1“ in Anspruch. Damit liegt die Betreuungsquote in Viersen bei 52 Prozent. Der Bedarf aber ist deutlich höher.

Allerdings gibt es keinen Rechtsanspruch auf einen schulischen Ganztagsplatz. Noch. Denn sowohl die große Koalition auf Bundesebene als auch die schwarz-gelbe NRW-Landesregierung haben in ihren Koalitionsverträgen einen perspektivischen Rechtsanspruch auf einen schulischen Ganztagsplatz benannt. Das würde die Stadt Geld kosten. Grundsätzlich beteiligen sich zwar die Eltern — gestaffelt nach Einkommensgruppen — an den Betreuungskosten. Doch auch aus dem allgemeinen Haushalt wird die Betreuung mitfinanziert.

Schuldezernent Paul Schrömbges hat einmal durchrechnen lassen, was die Stadt tun müsste, um auf eine Betreuungsquote von 80 Prozent zu kommen — so hoch schätzen Experten den realistischen Betreuungsbedarf. „Basierend auf den prognostizierten Schülerzahlen würde das eine Erhöhung des OGS-Angebotes um 22 Gruppen bedeuten. Die ,8-bis-1-Betreuung’ würde um zehn Gruppen erweitert“, erklärt er. Zum Vergleich: Aktuell gibt es 29 OGS-Gruppen und 19 „8-bis-1-Gruppen“. Voraussichtlich müssten fünf Mensen neu gebaut werden, macht geschätzt Baukosten von drei Millionen Euro. Hinzu kämen jährliche Mehrbelastungen für die Betreuung von gut 550 000 Euro. Aktuell liegen die Kosten für die Viersener Steuerzahler bei knapp 772 000 Euro, künftig könnten sie bei mehr als 1,3 Millionen Euro liegen.

Allerdings könnte es auch noch teurer kommen. Denn die Landesregierung hat im Koalitionsvertrag auch vorgesehen, dass im offenen Ganztag individuelle Abholzeiten möglich sein sollen. „Dadurch ist nicht ausgeschlossen, dass die Betreuungsform der ,8-1-Betreuung’ obsolet wird“, sagt Schrömbges. Da aber trotzdem die 80-Prozent-Quote erhalten bleiben soll, müsste der OGS-Bereich massiver ausgebaut werden. Das Schuldezernat hat’s durchgerechnet: Statt der derzeit 29 OGS-Gruppen müsste es in dem Fall 77 OGS-Gruppen geben. Statt fünf müssten acht Mensen gebaut werden (geschätzte Kosten: 4,8 Millionen Euro), die jährlichen Kosten für Betreuung & Co. würden von 624 000 Euro auf 1,5 Millionen Euro steigen.

Die Rechnung enthält mehrere Unbekannte. So ist noch nicht klar, ob bei einem Rechtsanspruch Landeszuschüsse fließen. Auch ist unklar, ab wann der Rechtsanspruch gelten soll. Zwei Dinge aber sind gewiss: Der Rechtsanspruch würde die Situation für viele Eltern erleichtern. Er würde aber auch das Ziel eines dauerhaft ausgeglichenen Haushalts erschweren.