Shear (13) fand über Monate keine Schule

Für den jungen Syrer hagelte es Absagen. Erst jetzt geht er auf die Grefrather Sekundarschule.

Foto: Bauch

Nettetal. Gut vier Monate lang hat Shear Melli zu Hause gesessen. Er hat gemalt, Bücher gelesen, mit seiner Schwester gespielt. Morgens früh aufstehen, um zur Schule zu gehen? Fehlanzeige. Seit den Weihnachtsferien konnte der 13-Jährige ausschlafen. Was sich für Gleichaltrige toll anhören könnte, war für den jungen Syrer irgendwann gar nicht mehr lustig. Shear Melli wollte zur Schule gehen, konnte aber nicht — er fand keinen Platz.

Mit Mutter Husni Raneem (31), Bruder Yasin (15) und Schwester Roze (6) kam der 13-Jährige 2015 nach Deutschland. Sein Vater wartete in Ottweiler auf sie. Durch den Familiennachzug hatten sie Damaskus verlassen können. Kurz nach ihrer Ankunft im Saarland besuchten Shear und Yasin bereits eine Schule. Sie lernten Deutsch. Alles lief gut. Doch dann habe jemand ein Messer mit in die Schule gebracht. Yasin habe es an sich genommen, um Freunde zu decken, so erzählt er es. Am Ende mussten beide Melli-Brüder die Schule verlassen. Das ist ihre Vorgeschichte, sagt Nimet Said vom Nettetaler Integrationsrat.

Sie kümmert sich um die Familie, die seit den Weihnachtsferien in Schaag wohnt. Der Vater hatte Aussicht auf Arbeit, und sein Bruder lebte bereits in Brüggen, also zogen die Mellis um. Nach den Ferien habe man versucht, die Jungen an Schulen anzumelden, berichtet Said. Doch es kamen Absagen. „Entweder hieß es, dass kein Platz mehr sei“, sagt sie. „Dann, dass die Schulen nicht zuständig seien.“ Einmal sei eine Schule so ehrlich gewesen, als Grund den Verweis im Saarland zu nennen. „Die beiden sind abgestempelt und bekommen keine Chance, sich anders zu zeigen“, sagt Said. Yasin wurde Mitte Februar an der Hauptschule in Kaldenkirchen angenommen. Im April erhielt Shear einen Aufnahmebescheid von der Sekundarschule in Grefrath.

Wie es sein kann, dass ein Jugendlicher so lange auf einen Schulplatz warten muss, können die Verantwortlichen nicht beantworten. Von der Bezirksregierung Düsseldorf heißt es: Weil die zweijährige Erstförderung im Saarland erfolgte, gilt Shear in NRW nicht mehr als Seiteneinsteigerkind. Damit sei die Bezirksregierung nicht mehr verantwortlich. Trudeln allerdings wie bei ihm nur Ablehnungsbescheide ein, „kümmern wir uns“, sagt eine Sprecherin. Wo genau es also im Nettetaler Fall schiefgelaufen ist, „können wir nicht mehr nachvollziehen“. Die Busfahrt zu seiner neuen Schule dauert etwa eine Stunde. Shear muss zweimal umsteigen. „Aber das macht mir nichts“, sagt der Junge. „Alle dort sind so nett zu mir.“