Städtische Galerie Viersen Diese Ausstellung ist ideal für Selfies

Viersen · Die Städtische Galerie zeigt mit „Viral-Rival“ eine Ausstellung der Künstlerin Zohar Fraiman, die sich intensiv mit Mediennutzung auseinandersetzt.

Künstlerin Zohar Fraiman in ihrer Ausstellung Viral-Rival.

Foto: Reinhold Nazarenus

Eine kleine Anregung vorweg: Man sollte auf jeden Fall sein Handy mit in die aktuelle Ausstellung „Viral – Rival“ der Städtischen Galerie nehmen. Sie ruft förmlich nach Selfies und Fotos vor und teilweise sogar in den Bildern von Zohar Fraiman.

Und während man dort schaut, staunt, rätselt und fotografiert, wird einem so richtig bewusst, wie sehr der Alltag von den Medien und der Benutzung des Handys geprägt ist. In dem Moment hat die Künstlerin Zohar Fraiman ihr Ziel erreicht. Denn in ihren ausgestellten Werken hat sie sich mit Fragen rund um dieses Thema auseinander gesetzt: Wie beeinflussen die Medien das Selbstbild, das Leben, die Beziehungen? Wie lässt die Beschäftigung mit den Ereignissen in den sozialen Medien die Grenzen zwischen der eigenen Realität und der fiktiven oder realen der im Internet Auftauchenden verschwimmen?

Die 36-jährige Malerin erfasst Themen nie mit moralisch erhobenem Zeigefinger, sondern immer mit einer großen Portion Humor, einer fast schon altmeisterlich zu nennenden realistischen Malweise, klugen Verweisen auf Pop-Kultur und Kunstgeschichte und erzählerischen und andeutungsreichen Titeln.

Dazu gehört „Gossip Girl“ nach der Anfang 2000 produzierten amerikanischen Fernsehserie, „Never too much“ (Nie zu viel), „Shop till you drop“ (Einkaufen bis zum Umfallen) oder „Games of Phone“, Anspielung auf den Titel einer US-Fantasy-Serie, in der es um Machtkämpfe geht.

In „Games of Phone“ sitzen und stehen drei elegante, gut aussehende, junge (oder mit medizinischen Mitteln jung erhaltene) Frauen mit vier (!) Handys an einem Tisch, belegt mit Nagellacken und Schminkutensilien. „Eigentlich“ beziehen sich die Frauen in ihren vermeintlichen Vorbereitungen für einen Ausgehabend aufeinander, doch agieren sie vollständig aneinander vorbei. Auch wenn die eine der anderen den Nagel lackiert, schaut sie in eine andere Richtung, die Hand am Display ihres Telefons. Die Augen der anderen sind sowieso auf das Handy gerichtet. Bei so viel Aktivität im Netz reichen zwei Hände und Arme nicht: Zohar Fraimans Frauenfiguren haben meist mehrere Arme, oft auch mehrere Köpfe. Wie soll man sonst auch alle Neuigkeiten im Netz herbeiwischen und anschauen.

Wie in „Games of Phone“ tauchen auch in vielen anderen Gemälden Comic-Figuren auf. Hier sind es die Gestalten aus „Mulan“, an anderer Stelle sind es die Mitglieder der Familie Simpson und andere.

Wenn die Handys zu sehr beansprucht werden, drohen sie zu überhitzen. Das sieht bei Fraiman aus wie bei Salvador Dalí: Schmelzende Handys hängen schwer über den Stielen der Mohnblumen.

Dalí ist nicht die einzige Referenz an die Kunstgeschichte, derer sich Fraiman bedient. Zitate aus Bildern von Botticelli, Giotto oder Modigliani tauchen auf. Sie zeigen Frauenbildnisse, die sich mit den zeitgenössischen in einer Art gemalter Collage verbinden und Schönheitsideale längst vergangener Zeiten präsentieren. Das berühmte „Mädchen mit den Perlenohrringen“ blickt, im Kreis ihrer Freundinnen stehend und mit einem Handy in ihrer Hand, die Betrachter an.

Der Wahn, Katzenvideos ebenso ins Netz zu stellen wie Speisen, wird genauso thematisiert wie die ikonischen Gestalten, die die Welt bevölkern. Kim Kardashian ist eine davon. Auch sie gehört zur Figurenwelt, die Fraiman in ihrer Kunst aufleben lässt.

Aktiv werden können die Besucherinnen und Besucher in einer Installation von Zohar Fraiman, die ein endloses Spiegelbild der Besucher im Verbund mit gemalten Porträts reflektieren. An ein Angebot aus dem Vergnügungspark erinnert die bemalte Wand „Face off“, in der die Gesichter fehlen. An ihrer Stelle sind Aussparungen, in die man seinen Kopf stecken und Teil der Bilderwelt von Zohar Fraiman werden kann.

Noch eine Anregung: Neben dem Handy sollte man auch Zeit mitbringen. Es sind zwar „nur“ knapp 30 Bilder, die teilweise – wie im wahren virtuellen Leben – dicht gedrängt hängen, aber die haben es in sich.