Abschiebung: Anrather kritisieren Landrat

Obwohl Familie Fazliov gut integriert war, ordnete Andreas Coenen die Ausweisung an. Mehrere Anrather haben einen Freundeskreis gegründet, um den Mazedoniern zu helfen.

Foto: Wolfgang Kaiser

Anrath. Wenn in der Anrather DRK-Begegnungsstätte der Name Fazliov fällt, steigt eine Flut schöner Erinnerungen auf. „Wir haben alle 14 Tage gemeinsam Pizza gebacken. Wenn Ismail sie belegt hatte, erfreute er sich jedes Mal daran und bemerkte, wie reich man sei, dass man ein solches Essen genießen könne“, erinnert sich Ulrike Klein. Ludwig Oedinger fallen die vielen Umzüge ein, die Ismail für andere Flüchtlinge durchführte, und die vielen Küchen, die er in diesem Zusammenhang für die Stadt Willich aufbaute. „Ismail und seine Familie waren die einzigen, die sich um unser Beet bei den Ackerhelden gekümmert haben. Sie haben es gegossen und gepflegt“, erzählt Angelika Buscher. Er habe in Willich ehrenamtlich für die Tafel gearbeitet, weiß Marianne Limpert zu berichten. Und wenn Ursula und Klaus Scheiff an die Familie denken, fällt ihnen die Weihnachtszeit ein. „Ismail hat den Nikolaus gespielt, und seine kleine Tochter war das Engelchen“, schwärmt das Ehepaar.

Den Anrathern fallen noch viele weitere Dinge ein, wenn sie an die Roma-Familie aus Mazedonien denken. Die gesamte Familie, die als Flüchtlinge nach Deutschland kam, lebte die Integration. Die Fazliovs sind der deutschen Sprache mächtig, Ismail hatte einen Arbeitsplatz in der Pflege in Aussicht, die Kinder besuchten Schule und Kita sowie Sportvereine. Umso unverständlicher ist es für die vielen Anrather, dass diese Familie abgeschoben wurde — und das mit ganzer Härte. Ohne Vorwarnung seien sie morgens um 5.30 Uhr aus dem Leben gerissen worden, das sie sich in Anrath aufgebaut hatten.

Für die Anrather ist die vom Kreis Viersen getroffene Entscheidung, die Familie auszuweisen, unverständlich, zumal sich die Härtefallkommission des Landes NRW für eine Aufenthaltserlaubnis ausgesprochen hatte. „Die Härtefallkommission sieht die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aufgrund der persönlichen Situation und der sozialen Integration sowie der positiven wirtschaftlichen Prognose als erfüllt an“, heißt es in dem offiziellen Schreiben, das die Ausländerbehörde der Kreisverwaltung Viersen erhielt. Doch der Landrat ordnete die Ausweisung an.

„Es ist eine Entscheidung, die wir uns in jedem einzelnen Fall nicht leicht machen — gerade wenn auch Kinder betroffen sind. Aber wir müssen Recht und Gesetz umsetzen, um im Letzten die Akzeptanz für die Aufnahme der politisch verfolgten Asylbewerber und der Kriegsflüchtlinge zu gewährleisten“, begründet Landrat Andreas Coenen die Abschiebung.

Eine Antwort, die bei den vielen Menschen, die die Fazliovs kennen, ein verständnisloses Kopfschütteln auslöst. Die Bürger haben spontan den Freundeskreis Fazliov gegründet. „Wir wollen der Familie, die jetzt in Veles in Mazedonien lebt, weiterhin helfen. Sie haben nichts mehr. Ismail ist auf der Suche nach Arbeit“, sagt Oedinger. Es bestehe ein enger Kontakt mit der Familie. Wobei der Freundeskreis gerade erfahren hat, dass die Fazliovs eine kleine Wohnung gefunden haben.

Hinsichtlich des Verhaltens der Ausländerbehörde und des schroffen Auftretens der Polizei verlangen die Willicher Grünen indes Aufklärung durch den Landrat als Dienstherr beider Behörden. „Dr. Coenen muss zum Auftreten und Verhalten der ihm nachgeordneten Behörden öffentlich dazu Stellung beziehen“, fordert Raimund Berg, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Rat der Stadt Willich. Die Grünen wollen erfahren, ob eine politische Linie vom Landrat musterhaft vorgegeben wurde, womöglich als Dienstanweisung und unabhängig von humanen Prinzipien und einzelfallbezogenen Details, um entsprechende Fallzahlen präsentieren zu können, oder ob die Familienausweisung ein begründbarer, eventuell unglücklicher Einzelfall war.