Anrath: Die treuen Schieber
Hertha Salewski hat vor 20 Jahren eine Idee aus St. Tönis nach Anrath importiert. Seitdem werden hier Senioren im Rollstuhl durchs Dorf gefahren.
Anrath. Ein imposantes Bild: Wenn Donnerstagnachmittag die Ehrenamtler mit bis zu 25 Rollstühlen vom Altenheim St. Josef aufbrechen, bleiben Autofahrer freiwillig stehen, geben den Weg frei. "Man kennt uns", sagt Hertha Salewski. Sie hat den Kreis initiiert.
Die Gruppe der Rollstuhlschieber besteht seit 20 Jahren. Beim Dankeschön-Abend hat Rita Totten vom Sozialen Dienst des Altenheims gerade einen Bilderbaum im Foyer eingeweiht, dessen Äpfel mit den Fotos aller in der Einrichtung tätigen Ehrenamtler bestückt sind.
Hertha Salewski war 54 Jahre alt, als sie nach langen Jahren der Berufstätigkeit in einer Gärtnerei mit Blumenladen an einem Bandscheibenvorfall erkrankt und nach Krankenhausaufenthalten und Reha-Maßnahmen nur noch für leichte Berufstätigkeit geeignet war. "Damit konnte mich der Chef nicht mehr beschäftigen", sagt die gebürtige Ostpreußin. Weil ihr zu Hause die Decke auf den Kopf fiel, meldete sie sich für einen Besuchsdienst im Altenheim.
Dann hörte sie von den Rollstuhlschiebern in St. Tönis und sah sich das an: Das wollten sie in Anrath machen. "Erst wollten die Leute nicht", sagt sie. Es war nicht einfach, Heimbewohner zu überzeugen. "Sie hatten Angst, waren lange nicht mehr draußen." Wer sich überreden ließ, war schnell überzeugt. "So schön", ging’s von Mund zu Mund, "wo wir alles waren!"
Heute stehen der Gruppe, zu der 32 Ehrenamtler gehören, 20 Rollstühle zur Verfügung. "Anfangs haben wir uns welche von der Caritas geliehen", sagt Salewski. Zum zehnjährigen Bestehen bekamen sie zehn geschenkt.
Salewski erinnert sich, dass die Leute damals "besser dabei waren". Sie konnten Wünsche äußern, wo’s hingehen soll. "Gerne wollten sie raus zur Donk." Heutzutage seien viele dement. Gespräche entwickelten sich selten. "Sie lächeln uns an, freuen sich, sagen vielleicht Danke," beschreibt sie den Unterschied.
Der Alterschnitt der Gruppe ist relativ hoch. Die ältesten Schieber sind 79, die jüngste um 50. Manchmal wird jemand krank. Dann wird herumgefragt. Oder der evangelische Pastor ruft von der Kanzel herunter zur Mitarbeit auf. "Die müssen nur zuverlässig sein", sagt Salewski. Schließlich melde sie Donnerstagmittag die Zahl der Schieber an Frau Totten. Dort werde die Zahl der Rollstühle ausfahrtfertig gemacht.
Ein Aufhören kommt für sie nicht in Betracht. Hertha Salewski: "Ich bin so gern unter Menschen."