Schiefbahn Strategien gegen Stammtischparolen

Schiefbahn. · Wie geht man mit Stammtischparolen um? Dieses Thema griff der Arbeitskreis Fremde in der Stadt Willich auf.

Beim Workshop (v.l.): Sabine Bracke, Martina Lütters, Ingeborg Steinmann-Berns, Giesela Michel, Ruth Stieglitz und Gaby Pedersen.

Foto: Wolfgang Kaiser (woka)

„Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg“, „Alle Polen klauen“, „Flüchtlinge kosten nur Geld“, „Zugereiste bekommen mehr Geld als ein Deutscher mit Hartz IV“ – die Liste der so genannten Stammtischparolen ist lang, und nahezu ein jeder Mensch ist damit schon im beruflichen wie auch im privaten Alltag konfrontiert worden.

Aber wie geht man mit solchen pauschalen, aggressiven, diskriminierenden und herabsetzenden Äußerungen um? Genau dieses Thema stellte der Arbeitskreis Fremde (AKF) in der Stadt Willich in den Mittelpunkt. Er hatte in seine neuen Räumlichkeiten an der Hochstraße 67 in Schiefbahn zu einem Workshop unter dem Titel „Reagieren auf Stammtischparolen“ eingeladen. Als Referentin war Ingeborg Steinmann-Berns vom Antirassismus-Informationszentrum NRW (ARIC) zu Gast.

„Es sind menschenverachtende Aussagen, die in der Straßenbahn genauso zu hören sind wie an der Kasse vom Lebensmittelgeschäft oder auf dem Fußballplatz. Es ist kein Phänomen, das mit einer bestimmten Bildungsschicht in Verbindung gebracht werden kann“, erläuterte Steinmann-Berns. Stammtischparolen sind Metaphern, die verletzende, rassistische und menschenverachtende Äußerungen beinhalten, die auf Vorurteilen beruhen. Vorurteile wiederum sind rational nicht begründet und entstehen durch Unwissenheit. Es handelt sich um erlernte Denkmuster, die von Gefühlen geleitet sind. Es seien Bilder im Kopf, bemerkte die Referentin. Stammtischparolen sind dabei nichts anders als in Worte gefasste Vorurteile mit einer verbalen Abwertung. Doch wie kann diesen Stammtischparolen begegnet werden?

Der Workshop will helfen,
nicht mehr sprachlos zu sein

Dass dies allen zwölf Workshop-Teilnehmern am Herzen lag, war mehr als nur deutlich zu sehen. „Oftmals stellt sich die Frage, warum man nicht reagiert hat, oder eine gute Antwort fällt einem zwei Stunden später ein“, lauteten erste Anmerkungen der Teilnehmer. Nicht mehr sprachlos sein, hieß so die Devise des Abends. Dass das nicht einfach ist, kristallisierte sich im Laufe des Workshops klar heraus. Die Schwierigkeit ist, dass Menschen, die solche Parolen äußern, fest der Meinung sind, es handle sich um ein gesundes Volksempfinden – eine Meinung, die viele Menschen teilten. Es werden Schuldige gesucht, weil es die einfachste Lösung ist, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Die Parolen leben davon, dass ohne Unterscheidung argumentiert wird, egal ob Männer, Frauen, die Politik oder Ausländer in der Aussage vorkommen.

Menschen, die Parolen verkünden, halten in der Regel zusammen. Sie hören nicht auf andere Argumente und verfügen über einen extrem hohen Redeanteil. Das heißt, sie lassen andere nicht zu Wort kommen. Angst, Neid, Machtgier, Frustration und Zorn spielen bei der Entstehungen von Stammtischparolen eine weitere große Rolle.

Ausgerüstet mit diesem Wissen ging es an die Entwicklung von möglichen Gegenmaßnahmen. Zunächst war jeder einzelne Teilnehmer gefragt, seine eigenen Triggerpunkte zu erkennen. Jeder reagiert in einer bestimmten Situation anders. Eigenbeobachtung spielt eine wichtige Rolle. „Wenn jemand mit einer Aussage kommt, in der er von den Ausländern spricht, sollte gezielt nachgefragt werden, was derjenige darunter versteht. Was ist für ihn ein Ausländer“, gab Steinmann- Berns als Tipp mit auf den Weg. Pauschalen auflösen und miteinander reden, ist ein Weg. Aussagen sollten hinterfragt werden. Hat der Betreffende damit schon Erfahrungen gemacht?

Von Nutzen kann es zudem sein, wenn Menschen zum Weiterdenken angeregt werden. Was wäre, wenn sie in einer bestimmten Situation steckten und Hilfe benötigen würden? Meint derjenige sein Statement wirklich so? Nachfragen ist das A und O. Dazu kommt die Argumentationsebene, die immer davon abhängt, wie gut man selber mit der Thematik vertraut ist. Mögliche Teilwahrheiten erkennen, differenzieren und gezielt darüber reden, ist ebenso wichtig. Hier brachte die Referentin das Beispiel, wenn Eltern sich um die Bildung des eigenen Kindes sorgen, weil viele Kinder mit Migrationshintergrund in der Klasse sind. Wenn ein Gespräch allerdings die Vernunftebene verlässt und nur noch emotional geführt wird, ist eine Grenze erreicht. Eine Grenze, die auch gesehen werden muss. Was generell nicht viel weiterhilft ist, wenn mit Pauschalen gegenargumentiert wird. „Wenn jemand eine Stammtischparole mit den Worten, so spreche man nicht, kommentiert, dann ist dies unkonkret und wirkungslos“, betonte Steinmann-Berns. In einem waren sich alle Teilnehmer einig: Sie sind für zukünftige Stammtischparolen gut gerüstet und werden nicht mehr sprachlos dastehen.