Corona im Kreis Viersen Wenn eine Quarantäne das Tierwohl gefährdet
Tönisvorst. · Susan Mortazavi musste bereits zweimal für mehrere Tage in Quarantäne. Auf die Frage, wie sie im Ernstfall einer Corona-Infektion die Versorgung ihrer Pferde regeln kann, sucht sie seit mehr als zehn Monaten nach Antworten.
Es begann im Frühjahr, als Susan Mortazavi das erste Mal in Quarantäne musste. Sie war aus familiären Gründen in die Türkei gereist; als sie wieder zurück nach Deutschland wollte, war die Türkei zum Risikogebiet erklärt worden. Der Corona-Test, den sie dort vor ihrem Rückflug machte, wurde von den deutschen Behörden nicht anerkannt, sie musste sich in Quarantäne begeben und auf das Ergebnis eines weiteren Tests warten. Das war nach fünf Tagen da: negativ – zum Glück für die 42-Jährige.
Im November erlebte sie dann dasselbe noch einmal: Quarantäne, Test, Warten. Nach knapp fünf Tagen stand fest: Das Testergebnis ist wieder negativ. Durchatmen. Doch die Sorge bleibt, dass sie sich irgendwann doch infiziert und in Selbstisolation muss. Denn das würde sie vor ernsthafte Schwierigkeiten stellen. Ein paar Tage könne sie die Versorgung ihrer Pferde überbrücken, sagt sie, nicht aber zwei Wochen lang.
Susan Mortazavi engagiert sich ehrenamtlich als Tierretterin; wenn ein Tier in Not ist, bringt sie es zum Tierarzt, nimmt es gegebenenfalls selbst auf. In ihrem Haushalt leben zwei Hunde, sie hat mehrere Meerschweinchen und Kaninchen, außerdem kümmert sie sich um zwei Tierschutz-Pferde und ihre eigenen Reitpferde, die auf zwei unterschiedlichen privaten Grundstücken in Herongen und Süchteln untergebracht sind.
Bevor Mortazavi im Frühjahr in die Türkei flog, hatte sie jemanden engagiert, der sich um ihre Tiere kümmern sollte. Doch weitere zwei Wochen jemanden zu bezahlen, der die Hunde, Nager und Pferde versorgte, das hätte sie sich finanziell nicht leisten können.
Also begann sie, sich durchzutelefonieren: Gesundheitsamt des Kreises, Corona-Hotline des Bundes, Veterinäramt. Niemand konnte ihr sagen, welche Maßnahmen sie nun vornehmen könnte. Laut Gesundheitsamt darf eine dritte Person mit ihren Hunden Gassi gehen, wenn die Übergabe des Tieres kontaktlos erfolgt.
Das erfuhr auch Susan Mortazavi, doch ihre Situation ist eine besondere, denn neben einem Chihuahua ist ihr zweiter Hund eine Bulldogge – eine Hunderasse, die als potenziell gefährlich eingestuft wird; für den Umgang wird ein Sachkundenachweis benötigt. Das bedeutet: Nicht jeder darf mit dem Tier spazieren gehen. „Ich kenne niemandem in meinem Bekanntenkreis, der einen Sachkundenachweis besitzt“, sagt sie. „Ich habe einen kleinen Garten, notfalls können die Tiere da etwas Auslauf bekommen.“
Für Privatpersonen gibt es keine Regelungen bei der Tierversorgung
Und dann sind da noch ihre Pferde, nach denen täglich jemand sehen muss. Eines der Tiere ist außerdem krank und muss Spritzen bekommen.
Für Mortazavi waren die Quarantäne-Tage Horror. „Ich habe ein krankes Pferd, das gespritzt werden muss, das kann ich auch nicht irgendjemand machen lassen“, sagt sie. „Ich muss nach den Tieren sehen, ein Laie erkennt ja auch den Unterschied nicht zwischen einer Kolik und dem, wenn sich Pferde einfach nur wälzen.“ Zumindest in einer Sache besteht nun etwas Klarheit: Wer einen potenziell gefährlichen Hund besitzt, der einen Sachkundenachweis erfordert, kann sich an das zuständige Ordnungsamt wenden, das für die Umsetzung des Landeshundegesetzes zuständig ist. „In einem solchen konkreten Einzelfall sollte sich der Halter an die Stadt wenden, und gemeinsam mit den Kollegen würde man versuchen, eine Lösung zu finden“, sagt die Pressesprecherin der Stadt Tönisvorst, Catharina Perchthaler.
Für die Versorgung von Sport- und Nutztieren gibt es zwar die Regelung, dass Landwirte im Quarantänefall Betriebshelfer gestellt bekommen und Reitställe und einen Notfallplan aufstellen müssen – aber für Privatpersonen gibt es keine konkreten Vorgaben. Es liege am Halter, sich bei Bedarf um einen Dienstleister zu kümmern, der die Tiere versorgt, heißt es von der Stadt. Kosten, die jeder Tierhalter selbst tragen muss. Eine Erstattung für solche Fälle ist laut dem Kreis im Infektionsschutzgesetz nicht vorgesehen.
Für Susan Mortazavis sehr spezielle Situation bleiben weiterhin viele Fragezeichen bestehen. „Das ist nichts Halbes und nichts Ganzes“, sagt die Tönisvorsterin. Dennoch ist sie dankbar dafür, dass Menschen versuchen zu helfen: „Beim Gesundheitsamt waren die Mitarbeiter sehr verständnisvoll und haben wirklich versucht, sich zu kümmern“, sagt Susan Mortazavi. Sie hofft, dass sie vor einer potenziellen dritten Quarantäne endlich die erhofften Antworten bekommt.