Evangelische Pfarrerin in St. Tönis „Ich fürchte, dass es noch lange keine Präsenzgottesdienste gibt“

St. Tönis. · Die evangelische Pfarrerin in St. Tönis erzählt, was der Ausfall der Präsenzgottesdienste für sie bedeutet.

Daniela Büscher-Bruch ist seit 1999 Pfarrerin der evangelischen Kirchengemeinde St. Tönis.

Foto: Emily Senf

(emy) Weihnachten ohne Gottesdienst – das hatte es vor Corona für viele noch nicht gegeben. Daniela Büscher-Bruch, Pfarrerin in der evangelischen Kirchengemeinde St. Tönis berichtet, wie es ihr dabei ergangen ist.

Wann war klar, dass alles anders wird?

Das Video mit den Stationen des Weihnachtsevangeliums ist weiterhin auf der Internetseite der Gemeinde zu sehen.

Foto: Ev. Kirche St. Tönis

Daniela Büscher-Bruch: Es fing an am Montag nach dem Treffen der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin, anderthalb Wochen vor Weihnachten. Wir hatten geplant, die Projektgruppe zusammenzurufen, weil wir noch nicht alle Stationen für unseren Rundgang fertig gebaut hatten. Da kippte die Stimmung hier, weil einige der Mitarbeiter und Helfer sich Sorgen machten. Ich selbst musste eine Nacht drüber schlafen.

Womit haben Sie gehadert?

Büscher-Bruch: Für mich war es eine schwere Herzensentscheidung, und mir ging es in dieser Woche gar nicht gut. Ich war traurig und erschöpft. An Heiligabend hatte ich bislang immer Dienst, normalerweise haben wir sechs Gottesdienste mit jeweils bis zu 300 Besuchern. Ich kenne Weihnachten nicht ohne Krippenspiel und Christvesper, schon als Kind nicht.

Geplant war ein Wandelgottesdienst mit Stationen mit dem Weihnachtsevangelium ...

Büscher-Bruch: Wir hatten zu dem Zeitpunkt schon fast 500 Anmeldungen und ein Konzept erarbeitet, wonach unsere Helfer als Hirten verkleidet die Menschen in 20er-Gruppen über das Gelände geführt hätten. Es gab Zeitfenster, um Schlangen zu vermeiden, und das Ordnungsamt hatte noch nichts davon abgesagt.

Und dann wurde es doch ein reiner Online-Gottesdienst?

Büscher-Bruch: Mein Mann, der Jugendleiter ist, und ich hatten die Idee, dass wir einen Beispieldurchlauf ohne Besucher machen, nur mit unserem Team der Projektgruppe. Dafür haben wir ein Drehbuch geschrieben, und er sowie weitere hauptamtlich Mitarbeitende, vor allem unsere Küsterin Karin Schutte und die FSJ’ler haben die Krippe fertig gebaut. Meine Tochter Noemie und ihre Freundin Marit Weiss haben Dreh und Schnitt übernommen.

Wie kam es an?

Büscher-Bruch: Allein an Heiligabend wurde das Video mehr als 400-mal geklickt, und hinter jedem Klick steht ja nicht nur eine Person. Wir haben viel Verständnis von den Menschen erfahren, die unsere Entscheidung mutig fanden und sich bedankt haben.

Wie war es für Sie?

Büscher-Bruch: Der Online-Gottesdienst war sehr viel Arbeit, aber auch ein richtiges Highlight. Wie alle unsere Online-Andachten kann das Heiligabend-Video weiter auf unserer Internetseite abgerufen werden.

Wie geht es weiter?

Büscher-Bruch: Wir fürchten, dass wir noch eine ganze Weile damit leben müssen, dass es keine Präsenzgottesdienste gibt. Nächste Woche soll es gegebenenfalls eine Presbyteriumssitzung geben, bei der besprochen wird, wie es weitergeht.

Was wünschen Sie sich?

Büscher-Bruch: Wir hoffen, dass Gottesdienste wieder wenigstens wie vor dem Lockdown mit 20 bis 30 Besuchern möglich sind. Wir haben ein gutes Hygienekonzept, das sollte doch ausreichen. Aber die Ängste und Sorgen etwa von Mitarbeitern sind jetzt stärker als im Lockdown im Frühjahr. Das ist etwas, das ich ernstnehmen muss. Ich denke immer wieder über die Frage nach: Was ist uns ein Gottesdienst wert?

Wie lautet Ihre Antwort?

Büscher-Bruch: Der Gottesdienst ist unser Kerngeschäft, um mit Gott in Kontakt zu kommen und besinnlich beisammen zu sein. Ich bin mir sehr sicher, dass man das nicht durch einen Online-Gottesdienst ersetzen kann. Was geht alles verloren, wenn wir so lange darauf verzichten?

Was meinen Sie?

Büscher-Bruch: Ein Gottesdienst ist keine Freizeitgestaltung, wie andere Dinge, die nicht stattfinden können. Sondern es ist etwas, das gläubige Menschen für ihre Seele brauchen. Aber ich kann verstehen, dass Bedenken überwiegen.

Wenden sich in der Corona-Krise mehr Menschen mit Sorgen an Sie?

Büscher-Bruch: Der Gesprächsbedarf ist jetzt im Winter und mit den Feiertagen stärker als im ersten Lockdown. Manche müssen auch Todesfälle verarbeiten. Ich werde häufig angerufen.

Wie lautet Ihr Rat?

Büscher-Bruch: Man sollte den Mut haben, Kontakt zu suchen. Allein durch das Erzählen fällt manchmal schon eine Last ab.

Was nehmen Sie aus der Krise mit?

Büscher-Bruch: Wir werden damit konfrontiert, dass nichts selbstverständlich ist, das Leben unberechenbar ist. Das war nie anders, aber vielen vorher nicht bewusst. Wir haben jetzt die Chance, den Wert von Dingen neu zu erkennen. Denn es geht uns nicht dadurch besser, dass wir Kleider kaufen oder verreisen. Wichtig ist ein guter Umgang miteinander.