Willich Die Namen glänzen im Sonnenlicht
Neun weitere Stolpersteine für jüdische Opfer der Nazi-Diktatur sind verlegt worden — unter anderem vor dem Gefängnis.
Willich. „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“, heißt es im Talmud, einem der bedeutendsten Schriftwerke des Judentums. Diesen Satz hat sich vor Jahren der Kölner Künstler Gunter Demnig zu eigen gemacht. Mit seinen „Stolpersteinen“ erinnert er an Menschen, die von den Nazis verfolgt und ermordet worden sind. Seit Februar 2012 tut er dies auch in der Stadt Willich. Gestern hat er neun weitere Steine — insgesamt sind es nun schon 74 — in Schiefbahn, Neersen sowie am Anrather Gefängnis verlegt. Es dürfte vorerst die letzte Steinverlegung in Willich gewesen sein.
Die tief stehende Sonne scheint auf das Gefängnismuseum an der Gartenstraße. Davor steht eine Gruppe von rund 50 Menschen, einige davon in den Uniformen des Justizpersonals, um Gunter Demnig herum. Der Künstler kniet auf dem Bürgersteig. Mit routinierten Bewegungen hat er soeben einige Pflastersteine gelöst und ersetzt diese nun durch drei glänzende Stolpersteine aus Messing. Sie erinnern an drei jüdische Männer, die in Anrath in „Schutzhaft“ genommen worden waren und 1943 hinter den hohen Gefängnismauern starben: Der 20-jährige Karl Gustav Hackelberg erlitt laut den vom Amtsarzt ausgestellten Totenscheinen einen „Blutsturz“, der Röntgenarzt und Internist Dr. Emil Hirsch starb angeblich an Kreislaufschwäche, eine Lungenentzündung soll bei dem Kraftfahrer Simon Herbst die Todesursache gewesen sein. „Gott kennt die Wahrheit“, sagt Gefängnispfarrer Lutz Auperle dazu.
Er, die Leiterin des Männergefängnisses, Charlotte Narjes, sowie Ulrike Gluting von der Gemeinschaft der Gemeinden Willich treten als Paten der Stolpersteine auf und stellen in wenigen Worten die drei Männer vor, an die heute erinnert wird. Weiße Rosen werden zur Erinnerung auf die Steine gelegt, weiße Kerzen entzündet. Jürgen Löscher von der Kreismusikschule in Mönchengladbach sorgt für eine nachdenkliche Stimmung, als er auf einem Sopran-Saxophon Stücke aus der jüdischen Musik spielt.
Organisiert worden ist die Gedenkveranstaltung von Bernd-Dieter Röhrscheid, den Heimat- und Geschichtsfreunden Willich und dem Anrather Bürgerverein. Auch die Leiterin des Frauengefängnisses, Ulrike Böhm, sowie die Willicher Kulturdezernentin Brigitte Schwerdtfeger sind gekommen. Der stellvertretende Bürgermeister Markus Gather spricht einige mahnende Worte.
Franz Auling, Vorsitzender des Kulturausschusses, erinnert an die Sprachlosigkeit seiner Eltern und Großeltern über die Verfolgung der Juden im Dritten Reich. Für ihn selbst, 1947 geboren, sei das Verpflichtung gewesen: „Ich wollte es nicht vergessen.“
Eine junge Konfirmandin legt ebenfalls eine Rose auf den Stolpersteinen nieder. Sie machen die Namen der weit außerhalb von Anrath in der Zisdonk beigesetzten Männer wieder lebendig — „vor allem dann, wenn das Sonnenlicht auf sie fällt“, wie es Pastor Markus Poltermann ausdrückt.