Diskriminierung: Ärger um Gutschein statt Geld

Flüchtlinge klagen über die momentane Regelung, nach der sie ihr Leben organisieren müssen.

Willich. Ibrahim Ali, Omid Shaffa, Rauf Mohudin, Ismail Fazliov und 42 weitere Unterzeichner haben sich in einem offenen Protestbrief an Willichs Bürgermeister Josef Heyes, die Politik, Kirchen und Presse gewandt.

Sie protestieren gemeinsam gegen die Wiedereinführung der Gutscheinregelung in der Stadt, nachdem diese „entwürdigende“ Regelung, wie sie schreiben, erst kürzlich abgeschafft worden war.

Bei Ibrahim Ali, Omid Shaffa und den anderen handelt es sich laut Protestschreiben um Flüchtlinge, die in Willich leben. Verfasst worden ist die Resolution mit Hilfe von Michael Stoffels aus Kempen, der Mitglied im Flüchtlingsrat NRW ist und sich um die Flüchtlinge im Kreis kümmert.

Die Flüchtlinge wollen die Beibehaltung von Geldleistungen erreichen. Keiner habe sie gefragt, was die Wiedereinführung der Gutscheinregelung für sie bedeute: „Wir schämen uns, wenn wir an der Supermarktkasse böse Blicke der hinter uns in der Schlange Wartenden spüren.

Wir schämen uns, wenn die Kassiererin uns anherrscht „Ausweis!“ Wir schämen uns vor allem vor uns selbst, dass wir nicht sind wie die anderen“, schreiben sie. Wieder zeige ihnen jetzt jeder Einkauf, „dass wir nicht sein dürfen und nicht sein sollen wie die anderen“. Sie hätten das Gefühl, mit Absicht diskriminiert zu werden.

Falsch informiert fühlen sich die Flüchtlinge von der Stadtverwaltung, in der man behauptet habe, Geldleistungen seien ein Fehler gewesen, „das Gesetz will es anders“. Einen Namen oder das Amt nennt das Schreiben nicht.

Die Flüchtlinge erwarten eine „menschenfreundlichere Form der Leistungsgewährung“, mutmaßen Motive „ausländer- und menschenfeindlicher Natur“. „Es darf nicht zweierlei Menschenwürde geben, eine für inländische, eine für ausländische Menschen.

Keine Diskriminierung ausländerfeindlicher Flüchtlinge durch Gutschein!“ Ausdrücklich betonen die Flüchtlinge ihre Dankbarkeit gegenüber Menschen in der Verwaltung, Hausmeister, „die uns bei so manchen Problemen kräftig unterstützen“.

Laut Dr. Michael Stoffels vom Flüchtlingsrat NRW sind die Kommunen Willich, Nettetal und Kempen kreisweit die einzigen, die noch, bzw. wieder Gutscheine ausgeben. NRW-weit seien eher Barleistungen üblich. „Die Entscheidung für die Wiedereinführung der Gutscheinregelung kommt so von oben auf die Menschen herab. Das trifft in Willich auf die atmosphärische Frustration in den Container-Unterkünften.“

Für Dieter Lambertz, Vorsitzender des Jugendhilfe- und des Sozialausschusses, kam die Nachricht von der zwischenzeitlichen Umstellung auf Bargeld völlig überraschend. „Das kann nicht sein,“ sagte er auf Nachfrage der WZ. Seit Mitte der 80er Jahre gebe es einen Ratsbeschluss über die Gutscheinregelung.

Lambertz recherchierte am Dienstagmittag aber weiter und fand heraus, dass offenbar nur aufgrund einer Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts, dass nur noch Barzahlungen ausgehändigt werden sollen, offenbar zwei Monate lang in Willich Geld ausgegeben worden ist. Das aber sei nie in einem Ausschuss oder im Rat besprochen worden, so Lambertz.

Erst als das Rechnungsprüungsamt im September nach Sichtung des schriftlichen Urteils die neue Praxis monierte, so Lambertz, sei wieder auf das Gutscheinverfahren umgestellt worden. Lambertz will das Thema am Donnerstag in den Ausschuss bringen und Dezernentin Brigitte Schwertfeger mit Fragen konfrontieren. Die Stadt hat für heute eine Stellungnahme angekündigt.