Tönisvorst Ein Friedenskämpfer mit Mission
Reuven Moskovitz, Israeli und Holocaust-Überlebender, stellte sich gestern Zehntklässlern im Gymnasium.
St.Tönis. Und der soll 87 Jahre alt sein? Kaum zu glauben, dass der kleine Mann mit der Cord-Kappe und dem lässigen Sweatshirt bereits dieses stramme Alter erreicht hat. Reuven Moskovitz, Israeli und bedingungsloser Kämpfer für den Frieden, war am Dienstag zu Gast im Michael-Ende-Gymnasium. Er sprach in der Bibliothek vor Schülern der zehnten Klassen.
Moskovitz, 1928 im Rumänien geboren, ist Holocaust-Überlebender. Seit Mitte der 70er Jahre ist er als Mahner unterwegs, warnt vor der verheerenden Gewaltspirale im Nahen Osten. „Die Palästinenser sind ein Geschwistervolk von uns Juden“, betont er mehrfach. Es mache ihn wütend, wenn er höre, dass Menschen „ausgeschaltet“, „umgelegt“, „erledigt“ oder „exekutiert“ würden. „Die unterschiedliche Behandlung von Menschen war schon etwas, was die Nationalsozialisten gemacht haben“, klagt er an.
Seine Botschaft ist ebenso einfach wie eingängig: „Mensch bleiben. Denkt darüber nach, wie Ihr die Welt besser machen könnt. Oder zumindest dafür sorgen könnt, dass sie nicht schlechter wird.“ Es geht ihm um Gerechtigkeit, das wird immer wieder deutlich. Gleichzeitig vermittelt der Mann eine fast charismatische Positiv-Einstellung zum Leben. „Ja klar, ich habe unter den Nazis gelitten. Und nicht nur das. Aber das ist Vergangenheit. Ich lebe. Ich bin gesund. Ich bin alt geworden. Das zählt.“
Gleichzeitig sucht er den Dialog mit den Schülern. „Kennt jemand den ersten Paragrafen aus dem Grundgesetz?“ Klar, „die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Moskovitz strahlt. Er freue sich, wenn er Engagement sehe wie das des Gymnasiums für Bangladesh. Und das aus Deutschland, dem Land, aus dem so viel Leid über die Welt gebracht wurde.
Aber auch die Schüler haben Fragen. „Wie beurteilen Sie die Position der Bundesregierung zu Israel?“, will jemand wissen. „Wenn man ein guter Freund ist, muss man auf Fehler aufmerksam machen“, erklärt der Israeli. Das vermisst er bisweilen.
„Würden Sie heute im Leben etwas anders machen, wenn Sie es könnten?“ — so lautet eine weitere Frage. In deren Beantwortung ein Stück jüdischen Humors liegt: „Ich würde vielleicht nicht nach Gehör Mundharmonika spielen, sonder nach Noten Geige lernen.“ Moskovitz wird schnell wieder ernst. „Alle Menschen sind berechtigt, in Würde zu leben.“ In Gaza sei das nicht der Fall. Die Stadt bestehe zu einem Großteil aus Ruinen.
„Wie sind Sie den Nazis entkommen?“, will eine Schülerin wissen. „Als unermüdlicher Vertriebener und wahrscheinlich, weil ich Querkopf bin“, sagt der Friedenskämpfer.
„Wie haben Sie es geschafft, so positiv zu bleiben?“ Er habe immer Freude an dem gehabt, was er gemacht habe. Es zum Beispiel toll gefunden, Kranführer im Hafen von Haifa zu sein. Sekunden später ist er wieder beim Thema Gerechtigkeit. Die Kluft zwischen Arm und Reich werde zu groß. „Was soll das, dass ein Bankdirektor mit 20 Millionen in Ruhestand geht? Um das Geld auszugeben müsste man ja 200 Jahre leben.“
„Worauf sind Sie stolz?“, fragt eine Schülerin. „Darauf, dass ich Ihr schönes Lächeln jetzt sehen darf“, entgegnet Moskovitz lachend. „Ich habe gelebt, geliebt, meine Frau länger als 65 Jahre gehabt. Habe Kinder, Enkel und sogar einen Urenkel.“ Für ihn besonders wichtig: Der Hass habe keinerlei Platz in seinem Leben.
Abschließend greift er zu seinen „Friedenswaffen“: Vor ihm liegen drei Mundharmonikas. Er spielt Volkslieder wie „Hänschen klein“, „alle meine Entchen“ oder „Bruder Jakob“. Es folen Fragmente aus der Rumänischen Rhapsodie von George Enescu. Donnernder Applaus ist der verdiente Lohn. Neudeutsch würde man die Veranstaltung vielleicht wie folgt charakterisieren: sehr geil.