„Ein Tag mehr ist ein Tag weniger“

Bei den Festspielen begeistert Joachim Henn mit Texten von Hanns-Dieter Hüsch.

Foto: Lübke

Neersen Lang ist’s her, dass Hanns-Dieter Hüsch (1925 bis 2005) im Neersener Schloss aufgetreten war. Es muss vor seinem Schlaganfall im November 2001 gewesen sein. Jetzt hatte man im Ratssaal das Gefühl, der literarische Entertainer beziehungsweise der philosophische Clown, wie man ihn zu nennen pflegte, sei wiederauferstanden. Dabei war es der Essener Joachim Henn, der dem Werk von Hüsch Leben einhauchte, der die Texte vortrug in einer Weise, dass sich Hüsch darüber bestimmt gefreut hätte. Gefreut haben dürften sich auch die rund 200 Besucher.

War alles so wie früher? Nicht ganz: Joachim Henn hatte keine Philocorda-Orgel mitgebracht, ganz im Gegensatz zu seinem großen Vorbild. Aber er zeichnete ein eindrucksvolles, kraftvolles Bild davon, wie Hanns-Dieter Hüsch als gebürtiger Moerser den Niederrheiner sah: Sympathisch auf jeden Fall, aber auch ein bisschen verrückt. Und als jemanden, dem Schein wichtiger ist als Sein.

Die Adressen von 20 Mädchen im Notizbuch, die es gar nicht gibt, auf „dicke Hose“ machen, auf Kosmopolit — Hanns-Dieter Hüsch nahm es gelassen: „Aber was willste mache, wenn du vom Niederrhein bist?“

Hüsch war ein genauer Beobachter und besonders gerne beobachte er den sogenannten „kleinen Mann“ und natürlich auch die „kleine Frau“. Joachim Henn ließ ihn wiederauferstehen, den Hochstapler Heinrich von Asterlagen. Der Sparkassenbote, dessen Vater Tuba-Bläser bei der Freiwilligen Feuerwehr war, spinnt sich sein Leben so zurecht, wie es ihm gefällt. Hüsch schildert und kommentiert das mit knappen, treffenden Worten, die immer wieder Szenenapplaus auslösten.

Was der Sparkassenbote geraucht hat, wird nicht verraten, wohl aber, dass er einen Anruf von der Sphinx erhalten hatte mit der Bitte, sie für zwei Jahre zu vertreten. Klar, die Fantasie des Niederrheiners, der es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt, überzeichnet Hüsch in seinen Texten stark, aber das macht auch ihren Reiz aus.

Joachim Henn las auch von „den Leuten, die man kennt und kennt — und doch nicht kennt“ — weil man sich einfach nicht mehr an sie erinnern kann. Köstlich, die Geschichte vom Sinn des Lebens: „Auf einmal ist er da und gibt uns ein Zeichen — vielleicht fällt dann eine Sammeltasse aus dem Schrank.“

Auch Hagenbuch tauchte in dem Programm auf, ein Reim gegen den Faschismus stimmte die Zuschauer kurz nachdenklich. Immer wieder streute Henn mit Hüsch-Zitaten auch Philosophisches ein, zum Beispiel im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung mit der Zeit. Dann konnten dabei Sätze wie in Stein gemeißelt herauskommen. Eine kurze Kostprobe: „Ein Tag mehr ist ein Tag weniger.“ rudi