Tönisvorst Gesamtschule setzt neue Kräfte frei

Andreas Kaiser über harte sechs Monate und die Vorfreude auf die Oberstufe.

Foto: Kurt Lübke

Tönisvorst. „Ich fühle mich hier wohl und akzeptiert. Ich hatte den Vorteil, dass ich völlig neu in der Stadt war und unvoreingenommen an alles herangehen konnte. Aber ich muss auch über diese Zeit sagen: Dieser arbeitsintensive Einsatz hier war ziemlich extrem.“

Foto: Kurt Lübke

Seit einem halben Jahr steuert Andreas Kaiser die Sekundarschule in Tönisvorst. Ab August wird er sie als Rupert-Neudeck-Gesamtschule leiten. Über Eingewöhnung, Stimmungslagen und Aussichten sprach er mit der WZ.

Andreas Kaiser, Schulleiter der Noch-Sekundar- und bald Gesamtschule in Tönisvorst

Die öffentliche Diskussion um die Schulform, um Pro und Contra und die organisatorische und personelle Strukturierung des Schulalltags haben Kaiser und seine Kollegen Kraft gekostet. „Wenn ich die Sekundarschule in ihrem ersten Jahr übernommen hätte, hätte ich mit dem Fundament begonnen und darauf aufgebaut.“ Bei seinem Einstieg aber habe der Rohbau schon gestanden, es sei aber in etwa so gewesen, als sei der Architekt abgesprungen oder „die Elektrik war fertig, funktionierte aber nicht“. So vergleicht der gebürtige Siegener, 52, die Situation bei seinem Antritt.

Die Entscheidung, dass die Schule nun als Gesamtschule weitergeführt werde, hätten er und seine Kollegen mit „erleichtertem Aufatmen“ aufgenommen. „Der neue Name und die Schulform, sie setzen wieder Kräfte frei“, sagt Kaiser. „Aber als die Nachricht kam, haben wir keinen Sekt aufgemacht. Dazu waren wir viel zu erschöpft.“

Auf die Stelle als Schuleiter hatte sich Kaiser 2016 nach einem Sabbatjahr beworben. Zuvor war der Studienrat mit der Fächerkombination evangelische Religion und Geschichte an der Gesamtschule in Kamp-Lintfort tätig gewesen und hatte unter anderem als Beratungslehrer für die Oberstufe zum erweiterten Schulleitungskreis gezählt.

„Ich suchte eine neue berufliche Herausforderung. Oberstufenleitung, das wäre etwas für mich gewesen.“ Zufällig habe er gleichzeitig in Tönisvorst ein Gehöft gefunden und mit seiner Familie bezogen. „Mir war stets wichtig, meine Schule mit dem Fahrrad erreichen zu können. Ich habe immer einen etwa zehn Kilometer großen Kreis um den jeweiligen Schulstandort gezogen.“

In dieser Zeit habe er seinen Hut „bei der Bezirksregierung in den Ring geworfen“. Über die ausgeschriebene Stelle in St. Tönis habe er, sagt Kaiser, „14 Tage intensiv nachgedacht“. Die Leitung der Sekundarschule Tönisvorst mit Option auf Gesamtschule — sollte er sie annehmen, auch wenn der politische Prozess, der ja noch im Gange war, das Risiko barg, dass es nicht zur Umwandlung kommen würde? „Die Aussicht auf Gesamtschule mit Oberstufe hat mich sehr gereizt. Ich musste für mich aber erst klar haben, dass ich auch dann Schulleiter in Tönisvorst bleiben würde, wenn es eine Sekundarschule bleibt.“

Die Ausschreibung mit Oberstufenerfahrung sei seitens der Bezirksregierung ein Signal für den Gesamtschulweg gewesen.

Sicher, sagt Kaiser, wäre er enttäuscht gewesen, wenn es die Gesamtschule nicht geworden wäre. „Aber nach zwei Wochen hätte ich die Ärmel hochgekrempelt. Schon aus einem Verantwortungsbewusstsein den Schülern, Eltern und Kollegen gegenüber.“

Die Stimmung im Kollegium sei gut, sagt Kaiser, es gebe viel positive Rückmeldung. „Die letzten drei, vier Jahre waren sehr belastend. Es war aber auch eine schwierige Gemengelage.“ Die Gesamtschule bringe die Schule nun in eine bessere Position. Die personelle Besetzung bezeichnet Kaiser zurzeit als gut. Er hofft, dass sich auch die Situation des Krankenstandes weiter verbessert.

Als Kernaufgabe eines Schulleiters sieht Kaiser es an, den Rahmen für Lehrer zur Verfügung zu stellen, damit das Unterrichten funktioniert. Ein Klassenlehrer müsse seine Klasse möglichst viel unterrichten. „Lernen funktioniert durch persönlichen Bezug.“ Den Stundenplan zum Halbjahr hinbekommen zu haben, war offenbar ein Kraftakt. Jetzt, sagt der Chef, „plane ich das nächste Jahr“.

Zum Sommer erwartet er einen Abteilungsleiter für die Jahrgangsstufen 8 und 9 im Kirchenfeld. Und „bei Stellen für Neueinstellungen rechne ich jetzt als Gesamtschule mit mehr Bewerbern“.

Zum Start der Rupert-Neudeck-Gesamtschule im Sommer soll es ein Fest geben, „eines, mit dem wir uns selbst belohnen. Der Einsatz der Kollegen und der Eltern war enorm.“

Kaisers Vorfreude auf die Oberstufe ist groß. Das sei das nächste Ziel — neben dem Anspruch, jedes Jahr gute Anmeldezahlen zu erreichen.

Mit dem Standing, das er persönlich in sechs Monaten erreicht hat, ist Kaiser zufrieden: „Ich fühle mich akzeptiert. Ich bin hier Schulleiter. Und da ist kein Zweifel dran.“