Hegering Vorst geht neue Wege Vorst: Drohnenpiloten retten Rehkitze

Vorst · Eine Wärmekamera spürt die Jungtiere auf Wiesen und Feldern auf. So können die Kitze von Jägern gerettet werden, bevor Landwirte mit dem Mähen und Abernten der Flächen beginnen.

Franz Dieter Bürgers (2.v.l.), Helmut Verbocket, Christian Recken, Michael Friebel und Peter Krupp vom Hegering Vorst werden Kitzretter aus der Luft. Hier sind sie bei ihrer ersten praktischen Unterrichtsstunde zum Drohnenfliegen. Hegeringleiter Bürgers und die anderen haben den theoretischen Pilotenschein gemacht. Karl-Heinz Offer aus Kempen (3.v.r.) ist ein Profi. Er erklärt, wie man mit der Drohne und der daran befestigten Wärmebildkamera die Wiesen nach Tieren absucht.

Foto: Reimann, Friedhelm (rei)

Diese Bilder im Kopf will man nicht zuende denken: Ein Kitz liegt auf einer Wiese, geschützt im grünen hohen Gras. Das Wetter ist schön und trocken. Der Bauer möchte die Wiese mähen. Er setzt schweres Gerät ein. Das Kitz ist in dieser frühen Phase seines Rehlebens kein Fluchttier. Ein Hase würde bei Lärm und wahrnehmbaren Aktivitäten sofort davonjagen. Das Kitz bleibt an dem Ort, an den es die Ricke, das Muttertier, hingeführt hat. Es hat gegen die vorrückende Gefahr der Maschine kaum eine Überlebenschance.

In diesem Jahr kommt Rettung aus der Luft. Kitz-Entdecker, fünf Piloten nach erfolgreich absolvierter theoretischer Prüfung, treten in Vorst an. Sie heißen Franz Dieter Bürgers, Helmut Verbocket, Christian Recken, Michael Friebel und Peter Krupp und sind im Hegering Vorst aktiv, einem von 16 der Kreisjägerschaft angeschlossenen Hegeringen.

Um möglichst viele Kitze zu retten, bevor Landwirte ihre Wiesen und Felder abernten wollen, ersetzen sie künftig traditionelle Methoden durch hochfliegende Technik. Bürgers: „Bisher haben wir die Wiesen, die gemäht werden sollten, mit Fahnen und Flattermann abgesteckt.“ Das Flattern und die Geräusche habe dann die Ricken dazu gebracht, ihren Nachwuchs aus dem Gefahrenbereich zu holen. Zwei Kitze einer Ricke liegen nicht an derselben Stelle, sondern voneinander entfernt. Die Natur schützt den Nachwuchs, wenn ein Tier vom Fuchs entdeckt werden sollte.

Hunde der Jäger suchen ebenfalls das Feld ab. „Aber die Kitze haben fast keinen eigenen Geruch und sind daher nur schwer aufzuspüren“, so Bürgers.

Nun wird die Suche nach den Tieren einfacher und effizienter. Die Wärmebildkamera, die – befestigt an der Drohne – aufsteigt, markiert dem Co-Piloten, der die Flugdaten und -bilder aufs Tablet in die Hand gesendet bekommt, rote Punkte. Jäger suchen die ausgemachten Kitze und tragen sie an eine sichere Stelle außerhalb des zu mähenden Feldes. „Dort findet die Ricke später auch ihr Kitz wieder. Die Tiere rufen sich gegenseitig“, sagt Bürgers.

Um die Wärmepunkte nutzen zu können, müssen die Jäger früh, das heißt „vor dem Hellwerden“ losfliegen, damit die zunehmende Tageswärme zwischen Mai und Juni nicht die Lokalisierung von Körpertemperatur per Technik beeinträchtigt.

Mit einer Akkuladung hält sich eine Drohne 22 Minuten in der Luft. Fünf Akkus werden mit der Drohne Ende März, Anfang April mitgeliefert, „damit uns mehrere Überflüge möglich werden“. Denn je nach Witterung, Gewitterandrohung oder Regenprognose erreichen die Piloten vom Hegering auch mehrere Anrufe von Bauern gleichzeitig, weil die das gute Wetter in den nächsten Tagen zum Mähen nutzen wollen.

Ein Landwirt sei verpflichtet, dieses Vorhaben rechtzeitig anzuzeigen, um vorab Kitze retten zu können. Der Kontakt zwischen den Landwirten und den Jägern ist gut. Die meisten halten sich an die Vorschrift.

Ab April wird auf freiem Feld geflogen. Bürgers und seine Kollegen üben das Starten, Überfliegen und Landen mit Drohne. „Man kann so viel machen und einstellen“, ist Bürgers fasziniert, „zum Beispiel die Koordinaten des Feldes, seine Breite und Länge, abzufliegende Bahnen... Das ist wie bei den selbstfahrenden Autos“. Verbunden ist das Fluggerät mit einer App, die angibt, in welchem Bereich und in welcher Höhe geflogen werden darf und wo nicht.

Nach der Kitzrettung kommt die Drohne in den Schrank. Flugpause. Außer, sie wird zu Übungszwecken herausgeholt. Die Drohne wird nur zur Kitzrettung eingesetzt. Dazu muss sich der Hegeringleiter verpflichten. Himmelsbilder eines niederrheinischen Spätsommers sind damit tabu.

Die Kitze, die aus den Feldern geholt werden, sollen am Ohr mit einer farbigen Marke gekennzeichnet werden. Mit Hilfe dieser Markierung werden Bürgers und seine Jägerkollegen die Tiere in Zukunft altersmäßig zuordnen können. Denn das Alter von Rehen zu schätzen sei, bei aller Erfahrung, wahnsinnig schwierig.