Heyes: Wir arbeiten an Europa
Der Willicher Bürgermeister war mit einer Delegation in Frankreich und hat aus Linselles Mut mitgebracht, weiter an der europäischen Idee zu arbeiten.
Willich. Josef Heyes, Bürgermeister der Stadt Willich, war Mitte der Woche mit einer Delegation im französischen Linselles. Er hat von dort europäischen Enthusiasmus mitgebracht, der von vielen Beobachtern im quälend lange befeuerten Asylstreit der eigenen Regierungsspitze oft vermisst wird.
Heyes: „Das, was Seehofer da gemacht hat, war nicht würdig. Ein Sturm im Wasserglas.“ Trotzdem von größerer Tragweite. Denn, so Heyes, „mein Bürgermeisterkollege in Linselles hatte angesichts der Zankereien in Deutschland Sorge, dass die deutsche Regierung auseinander bricht“.
Wohltuend hat Willichs erster Bürger dagegen offenbar die französische Symbolik registriert: „Da hing ein Foto des jungen, dynamischen Macron. Er zieht die Jugend mit. Ein Europa-Stützer. Macron saß auf seinem Schreitisch vor einem offenen Fenster, rechts die französische Trikolore, links von ihm die Europafahne. Das zeigte doch: Fenster auf, frischer Wind, Mut für Europa.“
Viele Leute hier seien der Diskussionen „überdrüssig“, sagt Heyes. Die Flüchtlingsfrage sei doch nicht mehr die brennendste. Es müsse, sagt Heyes, die „Verteilung über Europa erfolgen“. Man solle sich an die sogenannte Dublin-Regel halten, vor allem „schnell prüfen“.
Enttäuschung bei Flüchtlingshelfern setze doch ein, wenn über Jahre menschliche Beziehungen zu Asylbewerbern aufgebaut würden und dann die Abschiebung drohe. Entscheidend sei, sagt Heyes, die Akzeptanz der Rechtsprechung. In Willich klappe die Integration der in der Stadt wohnenden 400 Flüchtlinge (ohne die Zentrale Unterbringungseinrichtung des Landes im ehemaligen Katharinen-Hospital gerechnet) gut.
Es gebe, sagt Heyes auf WZ-Nachfrage, schließlich auch andere, drängendere Probleme. Beispiel 1: „Die Grundsteuer-Diskussion geht los.“ Bisher wurden die Kosten über die Miete erhoben, künftig sollen die Immobilien-Investoren das übernehmen. Mit welchen Folgen?
Beispiel 2: altengerechte Wohnungen. „Täglich sprechen mich ältere Leute an, denen ihr eigenes Haus mit Garten zu groß geworden ist und die eine kleinere Wohnung mit Balkon suchen, aber nicht finden. Da muss mehr gebaut werden, Baugrund geschaffen werden“, betont Heyes.
Beispiel 3: Digitalisierung und Ausstattung von Schulen. „Wir in Willich sind gut aufgestellt, haben in naturwissenschaftliche Räume — beispielsweise am St. Bernhard — investiert. Das ist enorm wichtig. Die Zukunft liegt in den so genannten Mint-Fächern“ — Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. In Willich habe man immer viel Wert auf die Ausstattung der Schulen gelegt. Wenn es jetzt zum Beispiel um die Frage gehe, wer die Dienst-Laptops der Lehrer finanziert, dann müsse man, sagt Heyes, nach dem so genannten Konnexitätsprinzip verfahren: „Wenn das Land bestellt, muss es auch zahlen.“ Heyes unterstreicht damit die Haltung des Städte- und Gemeindebundes.
Beispiel 4: Datenschutzgrundverordnung. „Das ist ein Bürokratiemonster“, sagt Josef Heyes, die in der Willicher Stadtverwaltung eine ganze Arbeitskraft binde. „Jetzt müssen wir beispielsweise immer das Einverständnis von Ehepaaren und Jubilaren einholen, ob ihr Geburtstag oder die Goldhochzeit veröffentlicht und der Bürgermeister kommen darf. Es herrscht doch immer mehr Anonymität in der Gesellschaft. Vor lauter Datenschutz bekommt der Nachbar nicht mehr mit, dass der Mann nebenan 90 Jahre alt wird.“
Begegnung, Kennenlernen, Unterschiede erkennen und erleben — das ist Heyes wichtig. Damit ist auch wieder ein Bogen zu Europa geschlagen: Denn Heyes hat im französischen Linselles eine Einladung hinterlassen — ausgesprochen an die Mitglieder des Kinder- und Jugendparlaments. „Ich habe sie zu einem Besichtigungstag nach Willich eingeladen, der dann mit Schwimmen in De Bütt ausklingt“, sagt der Bürgermeister und fügt hinzu: „Wir arbeiten an Europa. Das muss!“