Schafzüchter aus Willich Moorschnucken am Niederrhein
Neersen · Seit 2018 züchten Gaby und Thomas Vennen südlich von Neersen eine spezielle, vom Aussterben bedrohte Schaf-Rasse: die Moorschnucken, die wegen ihrer Essgewohnheiten als Naturschützer bekannt sind. Auch deshalb soll ihr Fleisch eine exquisite Wild-Note haben.
Im Garten von Gaby und Thomas Vennen ist aufgeregtes Blöken zu hören. Zwei kleine Lämmer kommen angewackelt und freuen sich über die Ankunft ihres Ziehvaters, denn bald ist wieder Stillzeit. Vor etwa einer Woche sind die beiden Lämmer zur Welt gekommen, aber weil ihre leibliche Mutter sie verstoßen hat, päppelt das Schafzüchter-Ehepaar die beiden mit der Flasche auf. Die anderen Tiere grasen ein paar hundert Meter weiter auf einer großen Wiese südlich von Neersen. 14 Muttertiere stehen da am Rande einer Baumallee, zwischen ihren Beinen tummeln sich 28 Lämmer, die in diesem Frühjahr das Licht der Welt erblickt haben.
Die meisten von ihnen wurden auf eben jener Weide geboren. Denn obwohl es hier auch einen offenen Stall gibt, liegt es offenbar in der Natur der Tiere, ihre Kinder schon bei der Geburt abzuhärten. Das glaubt jedenfalls Thomas Vennen. Ihm ist die Begeisterung anzumerken, wenn er über Schafe spricht. Dabei besitzt er erst seit 2018 eine eigene kleine Herde. Aus der anfänglichen Idee, sie zur Beweidung des Gartens zu nutzen, wurde schon bald mehr.
Der 56-Jährige verabschiedete sich aufgrund gesundheitlicher Probleme von seinem Job in der Metallverarbeitung und ließ sich beim Schafzuchtverband NWR ausbilden. Vennen arbeitet jetzt noch 24 Stunden pro Woche in einem Sanitätshaus und kümmert sich den Rest der Zeit um seine Schafe. Raum für Hobbys bleibe da nicht wirklich, sagt er lachend. Aber das scheint ihm nicht wirklich etwas auszumachen.
„Von einem Berufsschäfer bin ich natürlich meilenweit entfernt“, sagt Vennen. Doch von denen gebe es ja immer weniger, weil Schafe immer seltener als Nutztiere betrachtet würden. Viele Arten seien mittlerweile vom Aussterben bedroht, weil nur noch große Rassen gehalten werden, die am meisten Fleisch abwerfen. Und selbst die stünden in Konkurrenz mit dem billigeren Fleisch aus Irland und vor allem Neuseeland, das in Supermärkten zu finden sei.
Nun muss man wissen, dass die Vennens sehr gerne Lammfleisch essen und das auch ein Grund war, sich eigene Schafe anzuschaffen. Die meisten der Lämmer, die im Cloerbruch geboren werden, werden innerhalb eines Jahres zum Schlachthof gebracht, von der Naturmetzgerei Gläser im Ort weiterverarbeitet und ihr besonderes Fleisch direktvermarktet.
Die Schafzüchter aber betreiben gleichzeitig Artenschutz: Sie haben sich für eine Rasse entschieden, die vom Aussterben bedroht ist und nur etwa 55 Zentimeter groß wird, halb so groß wie die bekannten Texel- oder Schwarzkopfschafe: die Moorschnucken. Diese sind begabte Naturschützer. Im Diepholzer Moor in Niedersachen ziehen sie seit Jahrhunderten durch die Landschaft, knabbern an Sträuchen, Büschen und Gräsern und festigen mit ihrem für Feuchtgebiete optimalen Tritt auch den Untergrund, ohne ihn festzutreten. Weil Vennen zum Erhalt der Moorschnucken beiträgt, erhält er sogar eine Förderung von der Landwirtschaftskammer NRW.
Natürlicher Futtermix
macht das Fleisch würziger
Auf der acht Hektar großen Wiese im Cloerbruch nahe der Niers ist die Herde von Vennen zwar nicht mehr so viel unterwegs, wie sie es evolutionsbedingt gewohnt war, aber sie findet ähnliches Futter vor. Auch hier gibt es Beeren, Weidenbäume oder Kräuter. Es ist dieser natürliche Mix, der ihr Fleisch würziger macht als das von anderen Rassen. „Manchen Leute ist der Geschmack zu intensiv, andere vergleichen es mit einer besonderen Mischung aus Schaf und Wild“, sagt Vennen. Gerade sind vor Ostern wieder sechs Lämmer geschlachtet worden, das Fleisch war innerhalb von drei Tagen verkauft. Waren die Abnehmer anfangs nur Freunde und Verwandte, gibt es mittlerweile einen festen Kundenstamm.
Obwohl die Schafe also irgendwann auf dem Teller landen, ist den Vennens eines wichtig: die Tiere zu ehren und ihnen ein gutes Leben zu ermöglichen. Denn einerseits wird immer das ganze Tier bis auf den Schädel verarbeitet, die Innereien bekommt der Hund, sie selbst essen das, was nicht verkauft wird. Selbst der Tod von Alttieren ist nicht umsonst: Aus ihnen wird Salami, Schinken, Bratwurst und Hackfleisch gemacht. Auf der anderen Seite werden sie eben nicht im Stall gehalten, haben viel Auslauf und alle paar Wochen wird die Umzäunung versetzt, sodass sie neues, natürliches Futter vorfinden.
Zusätzliches Futter bekommen lediglich die Muttertiere vor der Geburt und in der Stillzeit. Es ist der Grund, warum die Vennens nicht Bio-lizenziert sind. Das gelte bei Menschen als attraktiv und bringe den Vorteil von festen Lieferketten, sei aber teuer und würde den Tieren in der Praxis keine besseren Lebensbedingungen bieten, sagt Vennen. Stattdessen sei man Mitglied bei Slowfood Deutschland, eine Bewegung, die sich für den Erhalt alter Sorten, Artenvielfalt sowie artgerechte Viehzucht einsetzt. Auch die Wolle der Moorschnucken hat einen Zweck. Eigentlich gelte sie als Abfallprodukt, für Textilien sei sie ungeeignet, sagt Vennen. Aber er hat einen kleinen Gärtnerbetrieb gefunden, der sie mit Kusshand als Naturdünger nutzt: Denn die Wolle speichert Wasser und gibt für die Pflanzen wichtige Nährstoffe in die Erde ab.
Einmal im Jahr veranstalten die Vennens bei sich im Garten ein Schafsfest. Dann sind bis zu 100 Leute eingeladen, die Produkte von Streuobstwiesen, die Gaby Vennen herstellt, und das Lammfleisch aus eigener Haltung vom Grill zu probieren. „Die meisten Menschen“, sagt Thomas Vennen, „haben bisher nur Lammkeule oder Rücken gegessen, Schulter oder Haxe kennt fast niemand.“ Dabei, sagt der Schafzüchter, finde er die Haxe, das Teil mit dem niedrigsten Kilopreis, mittlerweile gar am schmackhaftesten.