St. Tönis In St. Tönis ruht ein berühmter Künstler
Bei Recherchen ist ein Künstler auf das Grab von Herbert Zangs gestoßen, der Vorbild für eine Figur in Günter Grass’ „Blechtrommel“ ist. Seine Werke sollen in diesem Jahr im Moskauer Puschkin-Museum und im Palais Beaux Art in Brüssel gezeigt werden.
St. Tönis. Seine letzte Ruhe hat Herbert Zangs nicht in Krefeld, sondern in St. Tönis gefunden. Die wenigsten Besucher des Friedhofes in St. Tönis werden wissen, welch ein prominenter Künstler dort begraben ist. Der Künstler John Waszek, der sein Atelier auf der Schmitzheide hat, ist bei seiner Recherche zu Künstlergräbern darauf gekommen. 1952 erfand Zangs das Prinzip der „Verweißungen“, mit denen er weltbekannt wurde. Noch vor den Arbeiten der 1958 von Heinz Mack und Otto Piene in Düsseldorf gegründeten Zero-Gruppe, die ganz aktuell eine weltweite Renaissance in der Beachtung findet, gibt Zangs der Farbe Weiß eine dominante Bedeutung in seinen Werken. Es lohnt sich unbedingt, sich mit seinem Werk, aber auch mit seinem Leben auseinanderzusetzen.
Wie Beuys, den er später an der Kunstakademie Düsseldorf kennenlernte, war Herbert Zangs im Zweiten Weltkrieg bei der Luftwaffe und dabei in Skandinavien eingesetzt. Nach dem Krieg studierte Zangs von 1945 bis 1950 an der Kunstakademie Düsseldorf, vor allem bei Otto Pankok (besonders bekannt ist Pankoks Werk „Christus zerbricht das Gewehr“, das von der Friedensbewegung adaptiert wurde).
Ab 1948 studierte bei Pankok auch Günter Grass. Beide, Grass und Zangs, verdienten sich ihren Lebensunterhalt als Türsteher im Altstadt-Lokal „Zum Csikós“. Die 1950 eröffnete Schänke entwickelte sich zur Jazz-Kneipe und zum Künstlertreff. In seinem Roman „Die Blechtrommel“ wurde die Kneipe zum „Zwiebelkeller“, in dem sich die Oberschicht zum Weinen bringen lässt. Im Roman setzt Grass aber auch Zangs als Maler Lankes ein Denkmal. Im Roman trifft Oskar mit der Blechtrommel den Soldaten Lankes im Karneval als Kunststudent wieder und steht ihm Modell. Später begegnen sie sich am Strand der Normandie wieder.
Herbert Zangs, der am 27. März 1924 in Krefeld geboren wurde, traf an der Kunstakademie auch mit dem drei Jahre älteren Joseph Beuys zusammen, der ebenfalls in Krefeld geboren wurde. Auch die Kriegserlebnisse bei der Luftwaffe verbanden beide. Nicht nur die Verweißungen sichern Zangs einen Platz in der Kunstgeschichte der Moderne, sondern auch seine ab 1957 entstandenen Bilder, in denen er Farbe mit Scheibenwischern auftrug — ein Pionier, der vielen voraus war.
Sein erstes Atelier hatte Zangs ab 1951 im Künstlerhaus an der Sittarder Straße. Das Atelierhaus der Stadt Düsseldorf gibt es noch heute. Es konnte verhindert werden, dass es dem Neubau der Victoria-Versicherung, heute Ergo, weichen musste. An der Sittarder Straße entstanden Zangs’ weltbekannte Verweißungen, die ihrer Zeit weit voraus waren und die sein Künstlerfreund Adolf Luther erst Jahre später richtig bekannt machte. Herbert Zangs war neugierig und reiselustig, Er erkundete viele Länder, viele als Anhalter ohne Geld. Mit einem Preisgeld erwarb er ein Haus in Cuceron in der Provence. Er freundete sich dort mit Albert Camus an. 1965 siedelte er nach Paris über. Dort begegnete er auch Pablo Picasso und Marlene Dietrich. Ein Herbert Zangs Archiv in Paris dokumentiert das Werk des Künstlers, der 1977 mit seinen „Antibüchern“ an der Documenta 6 in Kassel teilnahm.
Zangs erhielt eine Vielzahl von Auszeichnungen, bereits 1952 den Kunstpreis der Stadt Krefeld. 1956 sprach ihm der Kulturkreis im Bundesdverband der Deutschen Industrie ein Stipendium zu. Weitere Preise in Berlin, Ostende, Tarent folgten. Die Stadt Krefeld ehrte ihn 1994 erneut mit der Stadtehrenplakette. Als Bürgerschreck und Bohemian eckte er aber auch bei vielen an, seine Kunst blieb vielen Zeitgenossen unbegreiflich.
Seine letzten Jahre verbrachte er ab 1998 im Seniorenzentrum Wilmendyk in Krefeld-Inrath. Durch eine Diabetes-Erkrankung mussten beide Beine amputiert werden. Auch damit ließ er sich nicht bremsen. Er fuhr mit seinem Rollstuhl durch Farbpfützen. So entstanden die „Rollstuhlbilder“ mit Spuren der Räder auf Papier. hb