Kardinäle frühstücken um 6 Uhr

Der Ur-Willicher Hans Bayer ist ein erfolgreicher Vogelzüchter.

Willich. Unruhig und etwas nervös flattert der junge Kardinal mit seinem scharlachroten Federkleid und der kleinen Federhaube in der Voliere umher. Vielleicht weiß er, dass er bald sein neues Zuhause in Kevelaer hat. „Lass noch etwas warten, bis die Mauser vorüber ist“, dies hatte gerade Hans Bayer dem Kaufinteressierten mitgeteilt. Für den 75-jährigen Ur-Willicher ist die Vogelzucht seit fast fünf Jahrzehnten das große Hobby.

Im Garten seines Hauses am Heiligenweg stehen insgesamt neun Volieren mit etwa 30 Sittichen aller Art, darunter auch die regenbogenfarbenen Vielfarbensittiche. Und auch die in Mexiko und in den USA beheimateten Kardinäle, um die sich der Züchter auch was das Futter betrifft besonders kümmern muss. Zwei- bis dreimal im Jahr bringen sie ihre Brut zur Welt und brauchen zur Weiterfütterung an ihre Jungtiere gehäutete Mehlwürmer oder gefrostete Heimchen. „Eine 400-Gramm-Packung gefrosteteter Heimchen für 12,90 Euro reicht für ein Pärchen noch nicht einmal eine Woche“, erzählt der Züchter.

„Wir hatten früher immer Tiere in Haus und Garten“, sagt Hans Bayer, der als Kind mit Zwerghühnern und Tauben angefangen hat. Nach der Heirat mit seiner Fine, mit der der langjährige TAG-Betriebsmeister seit 51 Jahren verheiratet ist, kaufte er sich den ersten Kanarienvogel. Das war im Jahr 1962. Und er fand Spaß an den Piepmätzen und baute die erste Voliere: „Ich wollte was Buntes und Singendes in meiner Umgebung haben.“

Mit China-Nachtigallen, Dompfaff, Grünfink oder Diamant-Tauben fing es an. Fachkundigen Rat holte sich Hans Bayer bei Peter Hennen, der zum damaligen Zeitpunkt und auch noch viele Jahre später mit großem Engagement der Vorsitzende der „Vogelfreunde Willich“ war. Er trat dem bald 50 Jahre alt werdenden Verein mit seinen derzeit noch 15 aktiven Züchter bei, ist auch im 7. Jahr der Vorsitzende.

Im Laufe der Zeit spezialisierte sich Hans Bayer auf die Sittiche und später auch auf die Exoten. Auf seinem Speicher haben die Exoten, darunter japanische Mövchen, Spitzschwanzamadinen oder Muskatfinken, ihr Zuhause. „Die Exoten brauchen eine Wohlfühl-Temperatur von 18 Grad und in der Brutzeit täglich etwa 14 Stunden Tages- beziehungsweise Kunstlicht“, erläutert der Vogelliebhaber, warum seine Exoten unter dem Dach platziert sind.

„Wir müssen unseren Urlaub nach den Vögeln ausrichten“, erzählt Ehefrau Fine. Dabei ist es von großem Vorteil, dass sich auch andere Familienmitglieder um die Tiere für einige Zeit kümmen können. So ist seit vielen Jahrzehnten Sohn Wolfgang (46) ebenfalls ein leidenschaftlicher Vogelzüchter. Lange hatten sich Vater und Sohn auf das letzte August-Wochenende vorbereitet, als sie mit ihren schönsten Sittichen und Exoten zum Europa-Championat nach Karlsruhe fuhren. In der Vergangenheit haben sie dabei schon einige Medaillen geholt.

Natürlich hat der Vogelzüchter schon zahlreiche Auszeichnungen mit seinen Piepmätzen geholt. Unvergessen ist für ihn das Jahr 1982, als er bei der Bundesschau mit drei seiner grün-gelben Mosambik-Zeisigen die Plätze eins bis drei holte.

Hans Beyer will solange weitermachen, wie es ihm Spaß macht. Auch wenn er seinen Tagesablauf zu bestimmten Zeiten so sehr auf die Tiere ausrichten muss. So bekommen unmittelbar nach der Brutzeit die Kardinäle morgen um sechs Uhr ihr erstes Frühstück.