Serie: Unsere Plätze Der „Rote Platz“ ist unbeliebt
Neersen. · Der Minoritenplatz in Neersen war als zentraler Marktplatz mit Rathaus geplant, heute ist er der „Rote Platz“.
Die große, rötlich gepflasterte Fläche wirkt ein wenig verloren. Den Bänken, die vor Grünflächen stehen, fehlt der Schatten von Bäumen. Auch die auf der einen Seite wachsende Wildblumenwiese schafft es nicht, dem Minoritenplatz in Neersen ein freundlicheres Gesicht zu geben. „Kahl und ungemütlich“, fasst es eine Seniorin zusammen. Es sei wirklich ein wenig trist, schließt sich ein 77-jähriger Neersener an, der mit dem Fahrrad hergeradelt ist und einen kurzen Stopp auf einer der Bänke macht. Nicht weil es dort so schön ist, sondern weil er Zigarette rauchen möchte. Der Minoritenplatz kann bei den Bürgern nicht wirklich punkten. Obwohl die Begegnungsstätte Neersen sowie der Post-Shop „Allerlei Schönes“ in einem nebenan liegenden Gebäude untergebracht sind, herrscht kein Leben auf dem Platz. Schon bei der Vorstellung der Pläne für die damalige Umgestaltung des Minoritenplatzes machte sich von Seiten der Bürger Ablehnung breit. Der „Rote Platz“ war nicht gewollt, und diese Einstellung hat sich bis heute gehalten. Dennoch wurden die im November 2011 im Planungsausschuss vorgelegten Pläne zwei Jahre später Realität. Damit war auch mit dem Parken auf dem Platz Schluss. Zur Straße hin wurden grüne Gitter aufgestellt, die lediglich Radfahrer und Fußgänger durchlassen.
Der Platz hat eine lange Geschichte. Im Jahr 1906 beschloss der damalige Gemeinderat, den unbefestigten Schulpfad zu einem Marktplatz umzugestalten. Die Fläche wurde gepflastert und mit Bäumen bepflanzt. Außerdem wurde eine Litfaßsäule aufgestellt. In der Zeit des Nationalsozialismus erfuhr der Platz eine Namensänderung. Aus Marktplatz wurde Adolf-Hitler-Platz. Dieser Name verschwand nach Kriegsende sofort wieder. Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg hatte es Pläne gegeben, den Marktplatz zu erweitern. Es wurden entsprechende Kaufverträge geschlossen. Aber erst für den Neubau der katholischen Pfarrkirche kam es im Oktober 1960 zu Abrissen. Betroffen waren allerdings andere Häuser, und zwar die Gebäude am Marktplatz 1 und Marktplatz 3. Im Rahmen der allgemeinen Arbeiten erhielt der Marktplatz eine Kanalisierung.
Ein neues Rathaus
sollte gebaut werden
Mitte der 1960er-Jahre beabsichtigte die Gemeinde Neersen eine großzügige Neugestaltung des Marktplatzes samt dem Bau öffentlicher Gebäude. Unter anderem sollte ein neues Rathaus entstehen. Die Planung sah des Weiteren vor, den Marktplatz zu verbreitern und einen zentralen Platz von 120 mal 90 Metern Größe zu schaffen. Um diese Fläche sollten die öffentlichen Gebäude gruppiert werden. Für den angedachten Rathausneubau musste neben zwei alten Wohnhäusern auch die Knabenschule weichen. Erhalten blieb dagegen die Friedenseiche, die heute noch an ihrem Platz steht, wobei in späteren Jahren ein Steinkreis und eine teilweise Einfassung durch eine Buchenhecke erfolgten. Die gesamten Vorbereitungen in Sachen der öffentlichen Gebäude nach den Plänen eines Architekten aus Bensberg wurden allerdings nie Realität.
Die kommunale Neugliederung kam dazwischen, und statt ein neues Rathaus zu bauen, wurde das Schloss Neersen aufgebaut und saniert, um die Verwaltung aufzunehmen. Einzig das Postamt sowie das benachbarte Wohn- und Geschäftshaus wurden realisiert. Der bereits verabschiedete Bebauungsplan fand keine Berücksichtigung mehr. Die kommunale Neugliederung brachte aber noch mehr mit sich. Da es in Willich ebenfalls einen Marktplatz gab, musste Neersen den Namen abgeben. Aus dem Marktplatz wurde der Minoritenplatz. Die Fläche rückte dann nochmals in den Fokus, und zwar als zentraler Neersener Platz. Geplant war Anfang der 1980er-Jahre ein Zentrum mit Bürgerhaus für Vereinsversammlungen und rund 90 neue Wohneinheiten.
Doch auch diese Pläne lösten sich in Luft auf. Stattdessen kam der bekannte Gebäudekomplex entlang des Rothwegs mit Vollsortimenter, Apotheke und Wohnungen. 2013 erschien dann der besagte „Rote Platz“ in seiner heutigen Form, die viele Neersener den Kopf schütteln lässt.