Schiefbahn Knecht Ruprecht kam im Schlitten
Wurde früher anders als heute Weihnachten gefeiert? Erika Antwerpes und Wilhelm Otto erinnern sich.
Schiefbahn. Einkaufsrummel und Terminstress — wer das Zimmer von Wilhelm Otto betritt, lässt so etwas ganz schnell hinter sich. Kerzen und Lichterketten brennen, auf dem Tisch steht Gebäck, ein Regal ist mit einem Engel-Orchester aus dem Erzgebirge und einer Krippe geschmückt. „Die Krippe haben meine Eltern 1948 mit nach Schiefbahn gebracht“, erinnert sich der 90-Jährige. Heute hat er Erika Antwerpes (75), Mitbewohnern im Schiefbahner Hubertusstift, sowie den Reporter der WZ zu Gast. Gemeinsam blicken sie auf das Weihnachtsfest in früherer Zeit zurück — und vergleichen es mit dem Heute.
„Die Krippe ist für mich mit schönen Erinnerungen verbunden“, berichtet Wilhelm Otto. Sein Vater habe sie nach dem Krieg in Düsseldorf gekauft, damals habe sie noch Gips-Figuren gehabt. Viele Jahre sei das Ensemble später auf dem Speicher vergessen gewesen, bis er selbst es in den 70er Jahren beim Aufräumen zufällig wiedergefunden habe. „Die Figuren waren alle kaputt. Deshalb haben wir in Oberstdorf bei einem Schnitzer neue machen lassen“, sagt Wilhelm Otto. Diese bemalten Holzfiguren stehen bis heute in dem kleinen Stall.
Der 90-Jährige stammt ursprünglich aus dem sächsischen Crimmitschau, einer alten Stadt in der Nähe von Zwickau. Berichtet er von dem Weihnachtsfest seiner Kindheit, bekommt er leuchtende Augen: „Das war eine Zeit der Freude und Erwartung, ohne die Perfektion von heute.“ Wenn die Eltern sich im Zimmer einschlossen, hätten er und sein Bruder am Schlüsselloch gelauscht. Während die Mutter heimlich Süßigkeiten ans Bett legte, habe man sich schlafend gestellt. Der gemeinsame Kirchgang gehörte ganz fest zum Proramm. Und der in einen Pelz gehüllte Knecht Ruprecht sei im Pferdeschlitten gekommen, schon von weitem habe man das Glöckchengebimmel gehört.
Bei Erika Antwerpes, die aus der Nähe von Göttingen stammt, kam nicht Knecht Ruprecht zur Bescherung, sondern der Nikolaus. Begleitet wurde er vom „schwarzen Mann“, der mit schweren Ketten behangen war. „Von dem hatten die Kinder fürchterliche Angst“, erinnert sie sich.
Wenn Heimleiter Anton Deiringer heute als Nikolaus die Weihnachtsfeier der Bewohner besucht und aus seinem Goldenen Buch vorliest, geht es weitaus fröhlicher zu. „Ich habe zu seiner Begrüßung ein Gedicht geschrieben und vorgetragen“, berichtet die 75-Jährige. Überhaupt werde das Fest im Hubertusstift schön gefeiert, erzählen sie und Wilhelm Otto: Da wird geschmückt, gebastelt und gebacken.
Mit dem Weihnachten, wie es außerhalb des Altenheims zelebriert wird, können beide wenig anfangen. Wilhelm Otto erzählt in diesem Zusammenhang eine Anekdote, die er selbst in einem Kaufhaus erlebt hat: In der Spielwarenabteilung sei ein Dreikäsehoch mit seinen Eltern unterwegs gewesen. Die Mutter habe auf einen Tisch mit Teddybären aufmerksam gemacht. Doch der etwa neunjährige Junge habe nur gesagt: „Lass’ den Quatsch. Wo sind die Computer?“ „Mit so etwas komme ich nicht mehr zurecht“, sagt der 90-Jährige und schüttelt stumm den Kopf.