Lese-Tipp Eine abgedrehte Geschichte mit vielen Wortspielen

Tönisvorst · (Red) Carmen Alonso ist die Leiterin der Tönisvorster Stadtbücherei an der Hochstraße in St. Tönis. In loser Folge gibt sie unseren Lesern Literaturtipps. Diesmal: „Müll“ von Wolf Haas, erschienen bei Hofmann & Campe.

Carmen Alonso ist Leiterin der Stadtbibliothek Tönisvorst.

Foto: Marc Schütz

Deutschlehrer werden dieses Buch möglicherweise naserümpfend beiseitelegen. Alle aber, die Freude an einer abgedrehten Geschichte sowie an Wortspielen haben, werden sich bestimmt amüsieren: Simon Brenner ist gerade bei seiner Freundin herausgeflogen, er hatte die Socken an der falschen Stelle herumliegen lassen; naja eigentlich nicht die falsche Stelle, sondern die falschen Socken, nämlich die der besten Freundin der Freundin … Autsch!

Derart obdachlos, schlüpft er einfach als heimlicher Mitbewohner in fremden Wohnungen unter und ist beruflich – nach Jobs bei der Polizei und als Privatdetektiv – bei der Wiener Mülldeponie gelandet, haben sie hier doch auch die bessere Kaffeemaschine.

Aber wo der Brenner ist, ist auch Ärger nicht weit, und das geht so: Eines Tages findet sich in einem der Sperrmüllbehälter ein menschliches Knie, kurz danach verteilt auf andere Recycling-Wannen noch weitere Leichenteile; allesamt unverschämterweise entgegen der Abfallsammelbestimmungen nicht korrekt eingeworfen, die Ordnung auf dem Wertstoffhof ist zum Verdruss der dort tätigen „Mistler“ erstmal dahin; die beiden mit dem Fall betrauten Polizisten scheinen auch keinen Plan zu haben, gut also, dass Ex-Kripomann Brenner nicht vergessen hat, wie man bei Mord vorgehen muss. Verdächtige gibt es jedenfalls reichlich, so die Tochter des Ermordeten, die Ehefrau oder war es gar die Organmafia?

Berichtet wird die Geschichte von einer Erzählstimme, welche plauderfroh den Fortgang der Handlung beschreibt, dabei launig Brenners Gedanken kommentiert und sich auch mal unvermittelt an den Leser wendet („Ja, was glaubst denn Du?“).

Dieser Roman ist eine rabenschwarze Mischung aus Wiener Schmäh und lakonischem Wortwitz, voller absurder Verwicklungen und dabei sehr kurzweilig. Autor Wolf Haas (Jahrgang 1960) hat eine eigene, Verb-arme Sprachform entwickelt, in deren Rhythmus man sich schnell einliest und die den besonderen Reiz des Textes ausmacht. Neben Klamauk und eigenwillig-schrägen Typen spielen in seinen Texten auch satirische Gesellschaftskritik und ethisch-philosophische Fragen eine Rolle, diesmal das Thema Organspenden.

Die preisgekrönte Krimi-Reihe um Simon Brenner wurde in mehrere Sprachen übersetzt und auch fürs Kino verfilmt mit dem österreichischen Kabarettisten Josef Hader als grantelndem Brenner.

(RP)