Neersen: Eine tückische Krankheit
Die Tschernobylhilfe unterstützt Kinder, die an einer Stoffwechsel-Störung leiden und eine spezielle Diät brauchen.
Neersen. Maxim (12) und Artem (13) könnten ein ganz normales Leben führen, zur Schule gehen, einen guten Abschluss machen und einen qualifizierten Beruf erlernen. Doch die Brüder aus dem weißrussischen Brest schaffen all das nicht. Sie leiden unter einer erblichen Stoffwechselkrankheit: Phenylketonurie (PKU). Diese führt, bleibt sie unbehandelt, zu einer schweren geistigen Entwicklungsstörung.
Als Erich Bieber im Frühjahr dieses Jahres nach Brest reiste, um einen Jungen zu besuchen, für den er vor dreieinhalb Jahren eine Patenschaft übernommen hatte, wurde er auf die Probleme von Maxim und Artem aufmerksam. Und wusste gleich, dass er diesen Kindern helfen muss. "Ich bin ein Kriegskind und habe mein Leben gleich zweimal sowjetischen Soldaten zu verdanken. Ich dachte mir, dass ich wenig von der Nächstenliebe zurückgeben könnte, wenn ich diesen Kindern helfe", sagt der 68-Jährige.
Der Neersener, der sich im Rahmen der Ökumenischen Tschernobylhilfe Kaarst-Büttgen engagiert, hilft aktuell sechs Familien mit zehn erkrankten Kindern. Er besorgt ihnen eiweißarme Nahrung und versendet sie regelmäßig nach Weißrussland.
Für die Betroffenen sind die Nahrungsmittel lebenswichtig, da sie die Aminosäure Phenylalanin nicht abbauen können. Es reichert sich im Körper an und schädigt letztlich ganz massiv das Gehirn. Die gravierenden Symptome lassen sich vollständig verhindern - wenn die Krankheit frühzeitig erkannt und eine strikte Diät eingehalten wird.
In Deutschland sei dies machbar - jedes Kind werde direkt nach der Geburt auf die PKU-Schwäche getestet, sagt Bieber. In Weißrussland indes nicht. Dort ist die Gesundheitsversorgung nach wie vor schlecht. Verändert hat sich seit 1986, seitdem dort nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl der meiste radioaktive Niederschlag niederging, nicht sehr viel. Die medizinische Versorgung sei noch immer nicht ausreichend - auch nicht bei leicht zu behandelnden Erbkrankheiten.
Doch auch in Deutschland seien die Produkte für Phenylketonurie-Patienten teuer. Ein lebenswichtiges Lebensmittelpaket für die erkrankten Kinder in Brest koste rund 200 Euro. Drei Hersteller dieser speziellen Kost spenden regelmäßig, ein vierter gewähre zehn Prozent Rabatt. Was durch die Firmen nicht gedeckt sei, bezahlt er aus eigener Tasche, sagt Bieber. Er ist nämlich innerhalb der Tschernobyl-Hilfe Kaarst-Büttgen der einzige, der sich um Kinder kümmert, die unter der Stoffwechsel-Krankheit PKU leiden. Daher sucht der 68-Jährige dringend Mitstreiter, die ihn finanziell aber auch mit Rat und Tat bei seinen Hilfsaktionen unterstützen.