Schiefbahner gedenken der Opfer der Progromnacht 1938
Rund 130 Menschen gingen im Gedenken an die Pogromnacht 1938 auf die Straße.
Schiefbahn. „Es wäre schön, wenn 75 Menschen kommen würden“, sagte Bernd-Dieter Röhrscheid kurz vor Beginn. Der pensionierte Lehrer war der Initiator des Lichterzuges gegen das Vergessen und zur Erinnerung an die Pogromnacht vom 9. November 1938. Am Samstag waren es dann schließlich etwa 130 Personen, die mit Lichtern in der Hand die Häuser abgingen, in denen früher jüdische Familien lebten.
Unterstützt wurde Röhrscheid von weiteren Mitgliedern der Heimat- und Geschichtsfreunde, von Schülern des St. Bernhard Gymnasiums sowie von Stadtarchivar Udo Holzenthal. Mit im Zug waren auch Jutta von Amern vom Arbeitskreis „Fremde“ und einige der in Willich wohnenden Asylbewerber. In ihren Reden zum Abschluss stellten Bürgermeister Josef Heyes, der evangelische Seelsorger Joachim Schuler und die katholische Gemeindereferentin Ulrike Glutting heraus, dass der Tag auch ein Zeichen für das Leben, den Frieden und gegen Gewalt und Ausgrenzung sei.
„Wir müssen den jungen Leuten vorleben, dass keiner dies jemals vergessen darf“, sagte Mechthild Zuschlag (64). Und für Maria Kruß (65) war es „eine Herzensangelegenheit, hier dabei zu sein“. Auch die beiden Damen gingen an den drei Wohnhäusern vorbei, in denen einst die jüdischen Mitbürger gelebt und vor denen bereits 17 Stolpersteine in die Bürgersteige gesetzt worden sind.
Es waren ergreifende Momente, als Schüler des Gymnasiums, darunter Niklas Kania (15), Caren Klausnitzer (16), Annika Peterfeldt (17) und Fabian Kröppel (18), symbolische Koffer der 17 deportierten und ermordeten Juden mitführten. An den Koffern hingen große Anhänger mit ihren Namen. Der Zug ging vorbei an der Linsellesstraße 4 (dort wohnte bis 1938 die Familie Rübsteck), an der Königsheide 14 (Familien Wallach, Schönewald und Wolff) und an der Schulstraße 2 (Familie Kaufmann).
Josef Heyes erzählte bei der Schlusskundgebung in der Nähe des Standorts der einstigen Schiefbahner Synagoge mit Tränen in den Augen, dass in seinem Elternhaus lange Zeit der saubere, weil nicht mehr gebrauchte Uniformrock seines Vaters Theo, der damals der Feuerwehr angehörte, im Schrank hing. Erst viel später habe er den Grund erfahren: „Als am 9. November 1938 die Feuerwehr mit meinem Vater, er war damals 33 Jahre alt, zum Brand der Synagoge gerufen wurde, durften sie die Synagoge nicht löschen, sondern mussten nur ein Übergreifen der Flammen verhindern!“ Sein Vater sei aus Entsetzen noch am selben Tag aus der Feuerwehr ausgetreten.