Stolpersteine zum Gedenken an die Opfer des Faschismus
Im Dezember werden in Vorst elf Stolpersteine verlegt. Sie erinnern an verfolgte Juden im Nationalsozialismus.
Vorst. Die beiden Frauen trennen fast 70 Jahre. Ein Ziel eint sie dennoch: Der deutsche Faschismus darf sich nie wiederholen! Deshalb arbeiten Christel Tomschak (86) und Michael-Ende-Schülerin Sina Kugel (18) beim Initiativkreis „Stolpersteine für Vorst“ mit. Im Dezember ist es soweit: Pflastersteine mit den Namen deportierter und ermordeter Juden werden verlegt. Später soll an der Alten Post eine Gedenktafel aufgestellt werden.
„Wir haben die Verpflichtung, wachsam zu sein“, sagt Christel Tomschak, deren Vater Johannes Bossinger als Kommunist von den Nazis ins Gefängnis geworfen worden war. Und während die alte Dame das sagt, spricht ihre Körperhaltung Bände. Sie signalisiert Bereitschaft, Spannung. Und wenn sie zuhört Wohlwollen, ja Zuneigung. Etwa, wenn Schülerin Sina Kugel einen Satz wiederholt, den sie schon einmal bei einer Feierstunde gesagt hat: „Erinnerung ist die Übernahme von Verantwortung für die Zukunft.“
„Man sollte ruhig öfter an die Geschehnisse in der Pogromnacht denken“, sagt die 18-Jährige. „Nicht nur zum Gedenktag am 9. November.“ Was sie an der Arbeit in der Initiative sehr gefällt: „Man hat Personen vor Augen. Nicht nur historische Fakten. Es ist konkret.“
Elf Steine werden an zwei Standorten verlegt. Vor dem Haus an der Clevenstraße 17 werden acht Stolpersteine an die Familie Horn erinnern, deren Mitglieder verfolgt, deportiert oder ermordet wurden. Drei weitere Steine werden vor der Lindenstraße 23 verlegt, wo die Familien Rosenberg und Horn lebten.
Wie konkret die Erinnerung bis heute lebt, kann Edith Mascini schildern. Ein Vetter ihrer Mutter („für uns ist er ein Onkel“) war 1938 ins Konzentrationslager nach Dachau deportiert worden. 1939 wurde er entlassen, reiste nach Ecuador aus, kam später in die USA. Hier starb er 1999. „Er kannte sich in Vorst noch gut aus“, erzählt Edith Mascini. Schade: Zwei Söhne von Walter Horn, die in Kalifornien leben, können nicht zur Stolperstein-Verlegung kommen.
Wie es zur Bildung des Initiativkreises kam, schildert Peter Joppen, langjähriger CDU-Ratsherr und Orts-Bürgermeister von Vorst: „Ausgehend von der Verlegung der Stolpersteine in St. Tönis haben wir uns hier getroffen. Die Gedenkveranstaltung am jüdischen Friedhof in Vorst zur Befreiung von Auschwitz im Januar hat uns nicht gereicht.“
Also wurde — unter anderem mit Hilfe des Heimatvereins — recherchiert, welche Juden in Vorst gelebt haben. „Ganz gegen die Einschätzung anderer, dass das Thema ein heißes Eisen sei, haben wir breite Unterstützung gefunden“, erzählt Joppen. Das bestätigt auch Manfred Tripp: „Ich habe mit den Menschen gesprochen, die heute in den Häusern leben, vor denen die Steine verlegt werden sollen. Es gab nicht die geringsten Vorbehalte.“
Zusätzlich zu einem großen Unterstützerkreis wird die ganze Aktion von einer Arbeitsgemeinschaft des Michael-Ende-Gymnasiums begleitet, deren Leiter David Wirth ist. „Die Schüler können hier Geschichte vor Ort festmachen“, sagt der Lehrer. „Alles wird lebensnäher.“ Ein Problem sei allerdings die schwierige Quellenlage.