Schlossfestspiele: Sogar der Himmel hielt das Wasser
Mit „Bezahlt wird nicht!“ gab’s in Neersen eine rundum gelungene Premiere.
Neersen. Diese Frau lässt sich einfach nicht unterkriegen. Antonia, die weibliche Hauptrolle in der neuesten Produktion „Bezahlt wird nicht!“ von Dario Fo entfaltet einen derartigen Schwung, mit dem sie nicht nur ihre Freunde mitreißt, sondern auch das Publikum.
Und sogar der Himmel hält an diesem Premierenabend die Luft an — beziehungsweise das Wasser ein. Wobei Antonia es nicht leicht hat. Ihr geht das Geld aus, sie kann die Wohnung, Strom und Gas nicht bezahlen und weiß nicht einmal mehr, wie sie ihren Mann Giovanni satt bekommen soll.
Quer vor der Schlossfassade gespannte Leinen mit vielen wunderbar antiquierten, weißen Wäschestücken versetzen de Zuschauer sofort in enge italienische Gassen — eine tolle Idee von Ausstatterin Silke von Patay.
Der Samba vom Band macht klar, welch südlich quirliges Tempo hier an den Tag gelegt wird. Intendantin Astrid Jacob, die auch Regie führt, hat die Geschichte des Nobelpreisträgers Dario Fo aus dem Jahr 1974 mit wunderbarer Leichtigkeit den heutigen Gegebenheiten angepasst.
Nach wie vor gibt es Menschen mit Geld, die sich nicht um die scheren, die nur ihre Arbeitskraft haben. Bei der wirtschaftlichen Entwicklung der vergangenen Jahre kann Astrid Jacob kreativ aus dem Vollen schöpfen.
Doch Antonia tut, was bei ständig steigenden Preisen insgeheim viele gerne täten: Sie klaut. Aber nicht alleine, sondern zusammen mit allen zufällig im Supermarkt anwesenden Frauen probt sie spontan einen fast anarchistischen Aufstand.
Ihre ungeheure Lebenskraft verbietet ihr, sich Moral und Gesetzen zu beugen — denen ihr Mann Giovanni bis in den Tod folgen würde und es dauert eine Zeit, bis sie alle anderen angesteckt hat, mit ihrer sympathisch subversiven Energie. Um beispielsweise den Carabiniere über die wahren Ursachen ihres dicken Bauches zu täuschen, tischt sie ihm kurzerhand eine neue Heilige auf.
Dass das alles scheinbar spontan über die Bühne geht, ist ein großes Verdienst der Truppe. Verena Held als Antonia, Isabell Dachsteiner als ihre Freundin Magherita, Holger Stolz als Giovanni und Björn Klein als Margheritas Mann Luigi haben in nur vier Wochen Probenzeit italienisches Temperament in Mimik und Gestik erarbeitet, das nicht nur überzeugt, sondern ebenfalls viel zur Leichtigkeit beiträgt.
Wenn etwa Luigi zu Giovanni sagt: „Du hast das Fruchtwasser meiner Frau aufgewischt“, dann klingt da zwar unbegründete, aber doch verständliche Eifersucht auf so viel Intimität mit — und alle finden das urkomisch. Gewürzt wird das Ganze nach den Gesetzen der Comedia dell’arte — auf die Fo sich beruft — mit Polizisten, Carabiniere, Leichenbestatter und Bankdirektor, die von Claudia Dölker und Jan-Christof Kick mit großer Liebe zur Karikatur gestaltet werden. Ein Abend, bei dem man gar nicht bemerkt, wie rasend schnell die Zeit vergeht.