Willich Siebenkotten: Eine zweite Karriere in Berlin
In den 90er Jahren war Lukas Siebenkotten Bürgermeister von Willich. Dann wurde er abgewählt und war zunächst arbeitslos. Heute ist der 58-Jährige Direktor des Deutschen Mieterbundes.
Willich/Berlin. Der Job schreit nach Flexibilität: Ein bisschen wie Bürgermeister, manchmal Chefredakteur. Lukas Siebenkotten versucht, alles gleichzeitig zu sein. Und das mit offenkundiger Begeisterung. Wenn der frühere Willicher Bürgermeister über seine jetzige Tätigkeit als Direktor des Deutschen Mieterbundes spricht, tut er das mit Begeisterung. Seit acht Jahren ist der Arbeitsplatz des Anrathers in Berlin, in Sichtweite des Fernsehturms auf dem Alexanderplatz, der Nicolai-Kirche und des Berliner Doms.
Fast 17 Jahre ist es her, dass der heute 58-Jährige als Bürgermeister abgewählt wurde. Siebenkotten holte damals 16 Prozent mehr als seine Partei, die SPD, und scheiterte nur knapp an einem super-populären Mitbewerber: Josef Heyes, der das Amt heute noch innehat. Nichtsdestotrotz: Niederlage blieb Niederlage. Siebenkotten war plötzlich ohne Job.
„Ich habe mich zu Hause gekümmert, zum Beispiel ums Essen und um die Kinder“, erinnert er sich. Bis seine jüngste Tochter fragte: „Papa, kannst Du nicht wieder Bürgermeister werden?“ Diese naive Frage warf noch mehr Fragen auf, viele sogar. Der gelernte Jurist zog Konsequenzen, heuerte bei der Krefelder Kanzlei Dr. Stöber und Partner an, ja, das ist die, bei der Skandal-Anwalt Lothar Vauth gearbeitet hat. In diese Turbulenzen geriet Lukas Siebenkotten aber nicht mehr.
„Ende 2007 sprach mich der damalige Direktor des Mieterbundes an, fragte, ob ich nicht sein Nachfolger werden wollte. Gesagt, getan. Und die familiäre Situation war auch schnell geklärt: Siebenkotten pendelt seither zwischen Anrath und Berlin. Dort hat er ein Appartement, kann in Minuten zu Fuß zu seinem Büro gehen, um seine Arbeit zu tun. Die er, wie gesagt, sehr gerne macht. „Ich führe Verhandlungen, unter anderem mit der Politik, mit Ministerien, spreche mit den Experten in den Fraktionen.“ Sprich: genau sein Ding. In seinem Haus wurden Dinge wie die Mietpreisbremse und das „Bestellerprinzip für Makler“ erfunden und ausgebrütet.
300 Mietervereine sind dem Deutschen Mieterbund angeschlossen, 1,2 Millionen Haushalte. Das ist schon eine gewisse Macht, die vertreten sein will. „In Berlin machen wir Lobbyarbeit“, erklärt Siebenkotten. Dann müssen Landesverbände koordiniert werden, zusätzlich leistet der Mieterbund Rechtsberatungen. In Berlin wird zudem die Mieterzeitung produziert, Siebenkotten ist Chefredakteur.
Wie sehr bekommt er etwas aus seiner Heimat mit? Er lacht. „Aus dem Dorf so ziemlich alles.“ Aber auch anders: „Kürzlich war ich erst auf einem Workshop „Wohnen in Willich“. Wo er die geänderten Vorschriften des Landes lobte: „In den Fördergeldern sind nun echte Tilgungszuschüsse drin, davon profitieren die Menschen.“ Wie beurteilt er die Flüchtlingssituation? Ist sie ein Konjunkturprogramm? „Ja“, sagt er, „jahrelang haben wir in den Wald hineingerufen, sind nicht gehört worden. Das hat sich jetzt geändert. Es wird Geld in die Hand genommen.“ Jetzt müsse man auf jeden Fall auch kommunizieren, dass das nicht nur für Flüchtlinge gilt.
Steht durch den angespannten Wohnungsmarkt auch ein Comeback der Genossenschaften an? „Ja, die sind ein probates Mittel“, sagt er. Aber auch die Gesellschaften in öffentlicher Hand, etwa die Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft des Kreises Viersen (GWG) seien gefragt. Städte wie Willich, Kempen oder Tönisvorst könnten jetzt ihre gute Lage nutzen. „Die Kirchturmpolitik der Großstädte war arrogant“, bilanziert Siebenkotten. Und auch die Privatleute müssten ins Boot geholt werden. Die stellten schließlich den Großteil von Mietwohnraum bereit.
Nach wie vor beobachtet er seine Heimat ganz genau. Und sieht eine Stadt Willich, die sehr gut aufgestellt ist. „Zu einem guten Teil sind die hauptsächlich verantwortlichen Personen ja noch da.“
Worauf er wert legt: „Nach wie vor mache ich Schulungen, um meine Zulassung als Fachanwalt für Familienrecht nicht zu verlieren.“ Auch wenn das derzeit keine Rolle spiele, damit habe er ein Eisen im Feuer. Falls er mal nicht mehr Chefredakteur und Bürgermeister in einem sein will.