St. Tönis/Kempen: Notfall - Arzt wurde selbst Patient
Dr. Hans Richter bekam im Kempener Krankenhaus keinen Notarzt.
St. Tönis/Kempen. Unglücklich gelaufen, Kommunikationsproblem, Panne - wie man den Morgen des 6. Januar auch überschreibt, für Hans Richter aus St.Tönis gehört der gesamte Tag zu den unangenehmsten und schmerzhaftesten Erfahrungen, die er je gemacht hat. Wegen Nierensteinen musste er mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht werden, wo ihm trotz rasender Schmerzen nicht geholfen wurde.
Der Reihe nach. In der Nacht zum 6. Januar bekommt der 58-jährige St. Töniser heftige Schmerzen. "Ich wusste sofort, dass es Harnleiter-Steine waren", sagt Hans Richter.
Der Mann ist selbst Chefarzt am Krankenhaus in Erkelenz. Zunächst versucht er, durch Bewegung die Schmerzen zu bekämpfen. Das hilft zunächst. Wenig später sind sie wieder da. Richter trinkt ein Bier. "Eigentlich die richtige Maßnahme, aber da der Harnleiter dicht ist, wurden die Schmerzen immer stärker", erinnert er sich mit Schaudern zurück.
Um 5 Uhr schließlich hält er es nicht mehr aus, weckt seine Frau, die ihrerseits über den Notruf 112 den Rettungswagen holt. Der ist ruckzuck da, es gibt eine mehrminütige Diskussion, wo der Patient hingebracht werden soll. "Ich wollte nach Krefeld. Die Sanitäter haben gesagt, das ginge nicht. Sie sollten immer das nächstgelegene Krankenhaus ansteuern", so Richter. Da aber in Tönisvorst keine Urologie ist, einigt man sich auf Kempen.
Im Hospital zum Heiligen Geist wird Richter in der Urologie ins Aufnahmezimmer gelegt. Einen Arzt sieht er nicht. Der sei auf dem Weg aus Uerdingen, das dauere etwa eine halbe Stunde, sagt ihm die Dienst tuende Krankenschwester. Richter fragt nach einem Arzt, weil er es vor Schmerzen kaum noch aushält. Ein Arzt sei nicht da, wird ihm erklärt.
Unterdessen ist die Ehefrau eingetroffen. In seiner Not bittet Richter diese, ihn ins Privatauto zu packen und ihn ins Krefelder Klinikum zu bringen. Das geschieht. Dort ist zwar auch kein Urologe direkt greifbar, der diensthabende Arzt hängt Richter an den Schmerztropf. Der hat erstmal Ruhe. "Das war sagenhaft."
"Es geht mir nicht darum, das Kempener Krankenhaus anzuprangern. Überhaupt nicht", sagt Richter. Aber er sei als Schmerzpatient ein Notfall gewesen. "Da muss schnell etwas geschehen", weiß er. Und ein Laie schätze eine solche Lage völlig anders ein. Der wisse nicht, dass solche Koliken nicht lebensbedrohlich seien.
Richter kennt natürlich auch die organisatorischen Zwänge, die in einem Krankenhaus herrschen. Hier müsse auch die Politik reagieren und für die entsprechenden Rahmenbedingungen in den Ambulanzen sorgen. Auch wenn das Geld koste, manchmal viel Geld. Hoch rechnet er dem Kempener Hospital an, dass sich der zuständige Arzt einige Tage später bei ihm gemeldet und sich entschuldigt hat.
Übrigens: Für Hans Richter nahm die Geschichte wenige Tage ein überaus glückliches Ende. Er hatte noch am Einlieferungstag auf einen OP-Termin gedrängt, der dann auch für wenige Tage später anberaumt wurde. "Drei Stunden vor der Operation sind die Nierensteine weggegangen. Wahrscheinlich, weil ich solche Angst hatte", sagt der Mediziner. Und kann schon wieder schmunzeln.