Geflüchtete Menschen in Willich Mehr Wohnraumbedarf für geflüchtete Menschen

Willich · Die Nachrichten sind seit Wochen beunruhigend: Es gibt nicht genug Wohnraum für die Menschen, die aus Furcht vor Krieg und Gefahr nach Deutschland flüchten. Die Willicher Verwaltung hat ein Unterbringungskonzept erarbeitet.

Nur über regelmäßige Blicke in die E-Mails erfahren Volker Sternemann (li.) und Marco Härtel, wann die Bezirksregierung wieder geflüchtete Menschen nach Willich geschickt. Nähere Details fehlen oft.

Foto: Nadia Joppen

Die Situation am Ende dieses Termins ist symptomatisch für die Arbeit, die das Team im Geschäftsbereich Soziales der Stadt Willich fast täglich bewältigt: „Da kommt wieder eine Mail der Bezirksregierung: Am 8. Januar kommen eine Mutter mit zwei Kindern aus der Ukraine nach Willich“, informiert Marco Härtel (Teamkoordinator Wohnungsstelle) seinen Chef Volker Sternemann (Geschäftsbereichsleiter Soziales). Die Rückfrage „Steht da noch mehr, eventuell, ob gesundheitliche Einschränkungen festgestellt sind?“, verneint Härtel – die Bezirksregierung gibt der Kommune keine weiteren Hinweise.

„Über das, was dann am 8. Januar passieren wird, wenn die Mutter mit den Kindern in den Büros in der Unterbringungseinrichtung „Moltke-Dorf“ ankommt, haben wir vorher eine Stunde lang gesprochen. Die Mitarbeiter des Ehrenamts und der Verwaltung werden die Ankömmlinge informieren, wo sie untergebracht werden, sie werden eine erste finanzielle und später auch laufende Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten, und es wird besprochen, ob krankheitsbedingt weitere Unterstützung wie Dialyse, Rollstuhl oder Gehhilfen notwendig sind. Das alles passiert immer am ersten Tag, wenn die Menschen bei uns ankommen. Als vierter Schritt wird die Integration der Menschen als längerer Prozess beginnen“, erklärt Sternemann.

Die Frage der Unterbringung der geflüchteten Menschen, die die Bezirksregierung der Stadt Willich zuteilt, ist in den Wochen vor Weihnachten intensiv von Politik und Verwaltung besprochen worden. Grundsätzlich wird unterschieden zwischen Gemeinschaftsunterkünften, in denen sich größere Gruppen die Sanitär- und Küchenbereiche teilen, und der Unterbringung in Wohnungen, etwa für Familien oder auch als Wohngemeinschaften für Alleinstehende. Aktuell gibt es sechs Gemeinschaftsunterkünfte und etwa 50 kleinere Liegenschaften, in denen geflüchtete Menschen in Willich leben. Am bekanntesten ist dabei wohl das „Moltke-Dorf“.

15 Geflüchtete pro Woche
werden erwartet

Wenn die Stadt Menschen in privat zur Verfügung gestellte Wohnungen vermittelt, achte sie sehr genau darauf, dass Mieter und Vermieter „zueinander passen“, damit es ein langfristiges und zufriedenstellendes Mietverhältnis wird, sagt Härtel. Insgesamt lebten in den städtischen Einrichtungen und Wohnungen mit Stand 10. Dezember 1073 Menschen, die Kapazitätsgrenze der vorhandenen Liegenschaften war damit fast erreicht. Es ist aber gesichert, dass die Bezirksregierung weitere Menschen nach Willich schicken wird – Sternemann und Härtel rechnen etwa mit 15 Menschen unterschiedlicher Nationalitäten pro Woche. Die frühzeitige Ankündigung, so wie im oben beschriebenen Fall, ist aber die Ausnahme – die Bezirksregierung hat über die Feiertage einen Zuweisungsstopp beschlossen. Im Alltag wissen Sternemann und Härtel nicht immer, was das Land wann tut oder ob etwa Menschen mit Pflegebedarf kommen.

Deswegen hat das Team der Politik ein Konzept für weitere Unterbringungsmöglichkeiten vorgestellt und Zustimmung erhalten. Es hat drei Eckpunkte: Ein Hotel wird so umgebaut, dass jetzt schon über 150 und ab April 250 Plätze zur Verfügung stehen. Die Grundstücksgesellschaft kauft Wohnungen, baut sie um und vermietet sie an die Stadt. Als dritte Option gibt es Bürogebäude in Schiefbahn, mit deren Eigentümer Sternemann und Härtel in erfolgversprechenden Verhandlungen stehen. Das Willicher Unterbringungskonzept hat unter anderem das Ziel, dass Turnhallen oder Kultureinrichtungen frei bleiben, damit die Bevölkerung weiter das gewohnte sportliche und kulturelle Angebot nutzen kann. Sternemann ist sich bewusst, dass in Willich kleinteiliger preiswerter Wohnraum fehlt – das müsse mit den Bedarfen der Bürgerschaft ausbalanciert werden. Der Geschäftsbereichsleiter ist dankbar, dass dieses Konzept jetzt von der Kommunalpolitik genehmigt wurde: „Da erleben wir große Unterstützung und informieren unsererseits bestmöglich“.

Die vierte Säule – die Integration – verteilt sich auf mehrere Partner: Da sind die bei der Stadt beschäftigten Hausmeister und Integrationshelfer, die Büros in den Unterkünften haben und täglich versuchen, bei Fragen zu helfen. Dazu gibt es viele ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagierte Bürgerinnen und Bürger, deren Tätigkeiten bei der Stadt von Regine Hofmeister koordiniert werden. Der „Arbeitskreis Fremde in der Stadt Willich“ (AKF) organisiert überwiegend ehrenamtlich Bildung und Sprachkurse. Mitarbeiter des Vereins „Biss“ betreuen im „nachhaltigen Zuwanderungsmanagement“ vor allem die Integration in den deutschen Arbeitsmarkt, um das vorhandene Potenzial zu nutzen.

Sternemann und Härtel sehen das positiv: „Es sind viele Menschen, die arbeiten und hier Fuß fassen wollen. Sie haben ja zuhause auch in einer zivilisierten Umgebung gewohnt.“ Diesen Bereich möchte die Stadt 2024 ausbauen: Im Haushaltsentwurf ist vorgesehen, die Sozialarbeit vor Ort zu stärken – mit Kosten von 170 000 Euro jährlich. Der Sozialausschuss hat diesem Antrag zugestimmt. Der gesamte Haushalt wird aber erst Anfang 2024 beraten.