WZ: Woher rührte Ihre frühe Affinität zu Deutschland?
Interview „Das ist mein Lebenswerk"
Willich · Am Freitag wird die Städtepartnerschaft zwischen Willich und der japanischen Stadt Muragame besiegelt - Yasuo Inadome ist einer ihrer Architekten.
Das Gespräch führte WZ-Redakteur Alexander Florié-Albrecht
Ein besonderes Ereignis wirft seine Schatten voraus: die Unterzeichnung der Städtepartnerschafts-Urkunde zwischen der Stadt Willich und der japanischen Stadt Marugame. Am kommenden Freitag abend soll der Akt im Gründerzentrum Willich vollzogen werden. Dabei sein wird auch einer der maßgeblichen Architekten der Partnerschaft, Yasuo Inadome.
Inadome: Ich bin von meiner Mutter sehr beeinflusst worden. Die hat mir immer von Deutschland erzählt, dass es ein grosses Land gibt, dass zwei Weltkriege verloren hat, aber dem es dank des Fleisses und der Fähigkeit des Volkes gelang, sein Vaterland wieder erfolgreich aufzubauen. Oft erzählte sie von Ludwig van Beethoven, dass diese eine schöne Sinfonie von einem tauben Mann komponiert wurde. Sie hat immer Respekt davor gezeigt. Und ich habe in ihrem Tagebuch den Satz gefunden: „Deutschland ist das Land der großen Meister und der Wissenschaftler. Ich möchte eines Tages Deutschland besichtigen.“ Ihr Wunsch ist nicht in Erfüllung gegangen, aber durch ihren ersten Sohn. So interessierte ich mich von Kind an für deutsche Geschichte, Tradition und Tugend.
Wann sind Sie nach Deutschland gekommen?
Inadome: Ich studierte an der Tokai-Universität – in der Präfektur Kanagawa zwischen Tokio und Yokohama – deutsche Geschichte, Philosophie und Politologie. Anschließend habe ich an der Humboldt-Universität Berlin in der DDR studiert, weil es einen Vertrag über Studentenaustausch gab, konnte aber ohne Probleme nach Westberlin und nach Deutschland reisen. Ich habe mich damals auf Konrad Adenauer konzentriert, habe für mich festgestellt, dass die BRD der erste deutsche Staat in der Geschichte ist, wo das Volk in Frieden und Freiheit mit dem Schutz der Menschenrechte leben kann. Den Frieden in Europa, die Freiheit in Deutschland verdanken wir den Leistungen des Gründungsvaters der EU und Deutschlands. Und ich wurde von meiner Firma Topcon, einem japanischen Hersteller für optisch-elektronische Geräte und Instrumente für Augenheilkunde und Landvermessung, wo ich heute noch als Berater tätig bin, am 1.September 1986 nach Deutschland geschickt. Wir sollten dort die Produkte des Mutterhauses auf dem europäischen Markt erfolgreich vertreiben.
Und auf diese Weise sind Sie hier heimisch geworden?
Inadome: Das ist meine neue Heimat geworden. Meine Eltern leben ja nicht mehr, meine Brüder haben eigene Familien. Ich habe eigentlich keinen Grund mehr, zurückzufliegen. Ich bin unregelmäßig da, bin ja halber Rentner und nur noch Berater. Früher war ich für den Vertrieb zuständig, da flog ich zwei- bis dreimal beruflich nach Japan. Ich bin so lange in Deutschland, habe so viele Freunde gefunden. Ich fühle mich sehr in Deutschland verwurzelt, so dass ich mich auch entschieden habe, auch die Erde in Deutschland zu werden, also auch in Deutschland zu sterben.
WZ: Was ist Ihr persönlicher Antrieb, warum Sie sich für eine Verständigung zwischen Japan und Deutschland seit Jahrzehnten bemühen?
Inadome: Ich habe festgestellt, dass die beiden Völker die gleiche Wertschätzung füreinander besitzen. Was hier in Deutschland als Tugend erachtet wird, wird auch in Japan als solche erachtet wie Pünktlichkeit, Sauberkeit, Fleiß. Und was dort als Laster betrachtet wird, wird auch hier so gesehen. Ich habe mich für die Städtepartnerschaft sehr eingesetzt, wollte meine neue Heimat mit meiner alten Heimat verbinden.
Wie ist der Kontakt nach Marugame entstanden?
Inadome: Der damalige Botschafter Japans in Berlin stammte aus Marugame. Ich kannte ihn schon lange, er war in Düsseldorf Generalkonsul. Durch seine Vermittlung kam der Kontakt zustande. Im Jahr 2011 besuchte die Präsidentin der Fujii-Gakuen-Schule Deutschland. Da bin ich ihr begegnet. Es gab im Schloss Neersen ein Konzert. Da habe ich ihr vorgeschlagen, sich für eine Partnerschaft einzusetzen. Mit dem St. Bernhard-Gymnasium Schiefbahn gibt es seit 2017 eine Partnerschaft, so dass wir da schon Schüler hin- und hergeschickt haben. 2018 wurde zwischen Willich und Marugame eine Freundschaftsbekundung unterzeichnet. In demselben Jahr besuchte der damalige Bürgermeister Josef Heyes mit Begleitern Marugame. Ich wurde gebeten, Heyes zu begleiten, bin dann mitgeflogen. Ich hoffe, meine Aufgabe als Dolmetscher und Vermittler erfüllt zu haben. 2022 war Christian Pakusch in Japan, da hat man mich nochmal gebeten, auch ihn zu begleiten. Da haben beide Bürgermeister über die Städtepartnerschaft gesprochen. Da waren wir uns einig, die Städtepartnerschaft zustandezubringen.
In diesen Tagen wird ja eine Delegation nach Willich kommen. Wie viele Gäste werden Sie begrüßen können?
Inadome: Es kommen 21 Gäste, eine große Delegation unter der Leitung des Bürgermeisters von Marugame, Kyoji Mastunaga. Dabei sind sechs Personen der Stadtverwaltung und Vertreter der Industrie- und Handelskammer, was mich sehr überrascht hat. Es gibt vier Unternehmer grosser Firmen, die bisher keine Niederlassung in Europa haben. Sie interessieren sich sehr dafür, sich im Kreis Viersen anzusiedeln. Das ist ein grosses Ziel von mir, sie zur Ansiedlung zu bewegen. Es kommen drei Personen des Kunstmuseums. Sie wollen die Zusammenarbeit mit Willich im Bereich der Kultur aufbauen. Dabei sind auch drei Vertreter der Fujii-Gakuen-Schule. Erwartet wird auch der ehemalige japanische Botschafter in Berlin mit seiner Frau.
Was bedeutet die Unterzeichnung der Städtepartnerschafts-Urkunde?
Inadome: Das hat eine große Bedeutung. NRW ist fest verbunden mit Japan über das grösste japanische Zentrum in Düsseldorf zum Beispiel. Aber es gibt relativ wenige Städtepartnerschaften.
Und was bedeutet es Ihnen persönlich?
Inadome: Das ist mein Lebenswerk, ich bin sehr stolz auf diese Städtepartnerschaft. Ich habe dafür gelebt, das wird immer fortgesetzt. Meine richtige Aufgabe beginnt erst danach. Ich spiele nach wie vor die Rolle als Brücke zwischen Marugame und Willich. Ich bekomme viele E-Mails aus Marugame und von der Stadt, übersetze alles. In Zukunft habe ich wahrscheinlich noch viel mehr zu tun.