Öffnungsstrategie in Pandemiezeiten Der Löffel-Protest der Gastronomen
Tönisvorst · Nico Frass und sechs weitere Restaurant-, Café- und Hallen-Betreiber aus Tönisvorst machen am Freitag in St. Tönis auf die unverschuldete Notlage der Branche aufmerksam.
„Es ist März. Es ist, Pardon, schweinekalt und nass. Und dann muss ich noch einen Corona-Schnelltest vorlegen, um mich bei zwei Grad an einen Tisch in der Außengastronomie zu setzen? Was für eine Prozedur. Die würde ich wohl auch nicht auf mich nehmen.“ Nico Frass ist bedient. Ein Gastwirt ohne Gäste. Und seine Hoffnung, dass die in Aussicht gestellte Öffnung der Außengastronomie den Zustand der wirtschaftlichen Nulleinnahme am Standort Rosental bedeutend ändert, ist mit den unterkühlten Temperaturen vergleichbar.
Enttäuschung nach Treffen der Ministerpräsidenten mit Merkel
Die Enttäuschung nach dem Treffen der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin Anfang März war unter den Gastronomen groß. „Bei entsprechender Inzidenzzahl die Außengastronomie ab dem 22. März öffnen zu können, das ist schön für den Gast, aber total unwirtschaftlich für uns Unternehmer“, sagt Frass.
Er beispielsweise hat 60 Sitzplätze vor der Gaststätte Rosental. „Für den Service brauche ich Personal. Und wenn es da ist, muss ich es bezahlen, auch wenn kein Gast kommt. Ich muss außerdem die Lebensmittel vorhalten, die Kühlanlage wieder hochfahren – Kosten, die wir zurzeit auf ein Minimum heruntergefahren haben.“ Dieser Kostenapparat müsste also wieder hochgefahren werden. Und wer zahlt am Ende die Zeche?
Eine Lösung für die Misere, die Teile der Branche hart bis existenziell trifft, ist das draußen servierte Bierchen nicht. „Wetter und Schnelltest sind doch schon Ausschlusskriterien“, ist Frass daher pessimistisch. Er dringt auf mehr. Mehr Öffnung. Mehr Freiheit, immer unter dem Dach eines guten, im Sommer 2020 erprobten Hygienekonzepts. „Wir alle haben unseren Job gemacht. Und wir haben ihn gut gemacht“, spricht er auch für Kollegen. Er will das von außen auferlegte und unverschuldete Nichtstun öffentlich nicht mehr unkommentiert lassen. „Mein allergrößter Wunsch ist es, wieder arbeiten zu können.“
Frass hat den Aufruf zur digitalen Aktion des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes gelesen, die plakativ von den Worten „Wir geben den Löffel ab“ begleitet wird. Er will dies mit Kollegen gemeinsam tun. Frass hat 60 Kollegen in der Stadt Tönisvorst angeschrieben. „Vom kleinen Café bis zur Festsaalgastronomie.“
Einige haben sich zurückgemeldet, sieben wollen die reale Protestaktion am Freitag, 11 Uhr, mittragen und Britta Oellers, Landtagsabgeordnete der CDU mit Zuständigkeiten für Tönisvorst und Krefeld, auf dem Rathausplatz einen symbolischen Löffel überreichen. Und ein Positionspapier dazu.
Wer ist neben Nico Frass dabei? Gastro-Kollegen vom Restaurant Tafelsilber an der Anrather Straße in Vorst, vom Café Eigenwillig am Wasserturm St. Tönis, vom „Ravvivi – Trattoria Birreria e Caffè“ an der Hochstraße, vom Heinrich V. an der Viersener Straße, Grappa Toni an der Kirchstraße und vom Festsaal Majestät am Lenenweg.
Es gibt auch Corona-Gewinner
in der Gastro-Branche
Dass es in der Branche auch Corona-Gewinner gibt, ist nicht zu leugnen. Imbisse, die immer schon Außer-Haus-Verkauf machten, haben teilweise auch mehr zu tun. Nico Frass weiß das: „Das ist auch in Ordnung.“ Anderen aber gehe es schlecht. Und daher die Aktion. „Und in Tönisvorst gibt es eben auch Wirte ohne oder mit nur wenig Außengastronomie.“ Der Rathausplatz sei als neutraler Treffpunkt für die Übergabe der Protestnote ausgewählt worden, um auf den Missstand aufmerksam zu machen.
Frass betont mehrfach, wie gut das Hygienekonzept im vergangenen Sommer und Herbst gegriffen habe. Er werde nun noch einmal tief in die Tasche greifen und investieren. 10 000 Euro für Corona-Schutzwände und Luftfilteranlagen, um Gäste und Personal zu schützen. „Das Geld tut weh“, sagt er. Er muss in Vorleistung gehen, setzt aber auf die staatlichen Hilfen über Fördermöglichkeiten, die im Falle der Luftfilteranlagen bis zu 90 Prozent der Summe bedeuten.
Gastronomie sei auch Erlebnis. Genau das wolle man in der Stadt wieder bieten können. Die Verfolgbarkeit im Fall einer Infektion sei ja auch gegeben, weil Gäste ihre Namen und Adressen hinterlegen. Frass: „Wir haben im vergangenen Jahr 5000 Zettel ausfüllen lassen. Nicht eine Behörde hat hier einmal nach einem Blatt gefragt.“
Öffnet Frass am 22. März, wenn er darf? Wahrscheinlich, sagt er, auch wenn es sich nicht lohnt. Aber er tut es, um Flagge zu zeigen. Wie mit dem Protest am Freitag. Mittendrin und parallel zum Anstieg der dritten Corona-Welle...