Serie: Scotts Wandlung Transsexualität - Scotts Traum vom eigenen Barber-Shop

Willich · Drei Jahre nach seinem Outing als Transsexueller ist Scott weiter, als er zu hoffen gewagt hatte. Aber der Weg der Geschlechtsangleichung ist noch lang.

 Scott Pantelidis drei Wochen nach seiner Brustoperation in Düsseldorf und am Vorabend seines Geburtstages. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich mit 17 Jahren schon so weit bin.“

Scott Pantelidis drei Wochen nach seiner Brustoperation in Düsseldorf und am Vorabend seines Geburtstages. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich mit 17 Jahren schon so weit bin.“

Foto: Ekkehard Rüger

Schon unter normalen Umständen wäre das keine normale Woche im Leben eines Gymnasiasten. Am Dienstag ist Scott Pantelidis 17 Jahre alt geworden, einen Tag später steht die Matheklausur an, letzte Prüfung für das Vorabitur. Aber für Scott sind die Umstände alles andere als normal: Gerade drei Wochen ist es her, dass ihm seine Brüste entfernt wurden. Sechs Tage später konnte er das Krankenhaus in Düsseldorf-Kaiserswerth verlassen, am Tag darauf saß er wieder im Unterricht. Bis heute fährt ihn seine Mutter noch jeden Tag zur Schule und holt ihn wieder ab, weil die Operation und ihre Folgen doch anstrengender waren als gedacht.

Aber Scott sitzt entspannt auf dem heimischen Sofa in Willich und sagt: „Der Druck ist komplett raus.“ Der Druck, der auf ihm lastete und in ihm alles zu sprengen drohte. Vor drei Jahren suchte sich dieser Druck ein erstes Ventil, als Scott seine Transsexualität herausbrüllte. Seither weiß seine Mutter, dass ihr jüngstes Kind keine Tochter ist, sondern ein Sohn im Körper eines Mädchens. Noch weitere drei Jahre liegt der Moment zurück, ab dem Scott das erstmals selbst so richtig begriffen hat. Und jetzt? Könnte es wieder drei Jahre dauern, bis die nächsten Schritte anstehen.

„Ich kann meinen Fokus erst mal auf etwas anderes setzen“, sagt Scott. Etwas anderes: Das ist das bevorstehende Abitur. Der Führerschein. „Mein erster Sommer ohne Brüste – und den genieße ich.“ Und dann ab August die Ausbildung. Scott will Friseur werden und später Barbier. Der eigene Bart bricht sich vereinzelt schon zaghaft Bahn – der monatlichen Testosteronspritze sei Dank. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich mit 17 Jahren schon so weit bin“, blickt er zurück. „Ich dachte, ich bräuchte sehr, sehr lange bis zur ersten OP.“ Und bis zur Unterstützung durch seine Mutter. Und bis zur Akzeptanz durch seine Freunde. Alles ging schneller als erwartet.

Das machen, was medizinisch möglich ist

Aber die Hormonbehandlung und die Brustoperation sind nur der Anfang der Geschlechtsangleichung, und zwar der leichtere Teil. Scott ist entschlossen, den Weg zu Ende zu gehen und das, was medizinisch möglich ist, auszureizen. Möglich ist nicht nur die Entfernung von Eierstöcken, Eileitern und Gebärmutter. Möglich ist auch, männliche Genitalien nachzubilden, unter anderem durch einen Hautlappen, der dem Unterarm entnommen wird. Möglich ist, die Nachbildung mit den vorhandenen weiblichen Geschlechtsorganen zu verbinden, sodass ein Sexualempfinden gesichert ist.

Mindestens vier Operationen über mehrere Jahre sind dafür nötig, bei etwaigen Korrekturen auch mehr, die Risiken sind nicht gering. Doch Scott lässt sich davon nicht abschrecken. „Sonst werde ich wahrscheinlich nie glücklichen Sex haben.“ Denn so, wie es heute ist, ist es für ihn falsch und damit lusttötend.

Seine Mutter Eva sitzt neben ihm und hört seinen Schilderungen zu. Wie es für sie ist? „Okay. Meinem Kind geht es gut. Er hat eine ganz andere Ausstrahlung als vorher. Ich sehe, dass mein Kind total glücklich ist, und dann geht es mir auch gut.“ Sie fährt Scott nicht nur zum Krankenhaus und zur Schule. Sie fährt ihn auch zum Tattoo-Studio nach Troisdorf. Dort soll ab April auf Scotts Schulter, Arm und Brust nach und nach ein großes Körpertattoo nach polynesischer Tradition entstehen – auch, um später die Narben zu verdecken. Scott überlässt nichts dem Zufall.

Im nächsten Jahr vielleicht in eine Jungs-WG

Wenn alles klappt, will er im nächsten Jahr ausziehen. Eine Jungs-WG mit ein oder zwei Freunden, vielleicht in Korschenbroich. Ob er Angst hat, das vertraute und verständnisvolle Umfeld zu verlassen und vielleicht doch als Transsexueller mal auf Ablehnung, Spott oder Provokation zu stoßen? „In der Berufsbranche, die ich mir ausgesucht habe, rechne ich eher nicht damit“, sagt er. „Aber es kann einem immer irgendwer doof kommen. Wie nah ich das dann an mich ranlasse, weiß ich nicht.“

Was Scott an sich ranlässt, sind die Fragen anderer Jugendlicher, die in derselben Lage sind wie er. Sie erreichen ihn vor allem über Instagram oder Snapchat. „Es kommt öfter vor, dass mich Transsexuelle oder Freunde von ihnen um Rat fragen.“ Dann erzählt er von seinen Erfahrungen und seinem Weg und versucht dabei, „immer sachlich zu bleiben“. Nur nicht noch mehr Emotionen, nur nicht noch mehr Druck.

Wo sieht er sich in zehn Jahren? Die Operationen will er dann schon alle längst hinter sich haben. Und den Meisterbrief als Friseur in der Tasche. Und die Fortbildung zum Barbier. Irgendwann ein eigener Barber-Shop, das ist sein Traum.

Und dann ist da noch die Sache mit der Partnerschaft. Jemanden zu haben, klar, auch das gehört zu den Wünschen für die Zukunft. Ganz aktuell findet er gerade eine Frau ziemlich gut. „Wenn es was wird, wäre das cool.“