Viel Arbeit mit einem schwierigen Erbe

Die Kirchengemeinde in Geldern-Pont muss sich um die leerstehenden Häuser von Christel Siemes kümmern. Davon stehen einige auch in St. Tönis.

Foto: Thomas Binn; Kurt Lübke

Geldern-Pont / St. Tönis. Die Stichstraße ähnelt einer Geistersiedlung: Alleine in der kleinen Straße in Geldern-Pont stehen elf leerstehende Einfamilienhäuser. „Das ist ,unsere Straße’“, sagt Karl Roeling, stellvertretender Vorsitzender des dortigen Kirchenvorstandes, nur halb im Scherz. Die Gemeinde hat die Gebäude entrümpelt, jetzt will sie sie verkaufen. Und dabei soll das millionenschwere Immobilienerbe, das die Ponterin Christel Siemes der Gemeinde St. Maria Magdalena hinterlassen hat, Gutes bewirken.

Foto: Thomas Binn; Kurt Lübke

Die Frau, die auch Immobilien in St. Tönis besaß und deren Auftritte bei der dortigen Stadtverwaltung legendär waren, war im vergangenen Jahr verstorben. Mit dem Attribut „speziell“ wäre sie nur unzulänglich beschrieben. „Schwieriger Charakter“ träfe es eher.

Zeit ihres Lebens betrieb sie Rechtsstreitigkeiten, bei denen es Berichten zufolge um harmloseste Nichtigkeiten und geringe Geldbeträge ging. Ihre Häuser ließ sie angeblich deshalb leerstehen, weil sie mit Mietern durch die Bank unzufrieden war. Zugleich spendete sie viel für karitative Zwecke, in ihrem Nachlass wurden zahllose Quittungen gefunden.

„So war Frau Siemes eben“, sagt der Ponter Georg Raeth, der sie von Kindesbeinen an kannte. Ganz ergründen werde man ihr Wesen wohl nie. Sie war aus der Kirche ausgetreten. „Es war keine Glaubensfrage“, betont Raeth: „Frau Siemes war sehr gläubig.“ Aber sie habe es nicht eingesehen, Kirchensteuer zu zahlen. Stattdessen vererbte sie ihr Vermögen der Gemeinde. Ihr frommer Wunsch: „Die Kirche soll damit was Gutes tun.“

Auch die Rechte an einer Familiengrabstätte in Pont ließ Christel Siemes zu Lebzeiten nicht verlängern. Nach ihrem Tod wurde sie daher zunächst auf dem städtischen Friedhof in Geldern bestattet. Nachdem sich aber in ihrem Testament der Wunsch nach einer Ruhestätte in Pont fand, wurde sie im November umgebettet. Die Gemeinde sei dazu nicht verpflichtet gewesen, das Erbe anzutreten, so Pastor Arndt Thielen. „Aber das gehört sich so.“

18 Häuser stehen insgesamt „In der Schanz“. Die sollen jetzt verkauft werden. Es sind allesamt freistehende Einfamilienhäuser, massiv gebaut, verklinkert, Baujahr 1979. Die Bauten standen unterschiedlich lange leer: „Eins ist seit vier Jahren nicht mehr bewohnt, die anderen Häuser fast alle zehn bis 15 Jahre oder länger nicht“, eines war noch nie vermietet.

In St. Tönis kauft die Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft des Kreises (GWG) das große Mehrfamilienhaus an der Leipziger Straße. Hier sollen in einem Neubau zunächst Flüchtlinge untergebracht werden, später — in vielleicht zehn Jahren — könnte im Zuge einer Renovierung dann höherwertiger Wohnraum entstehen. Die anderen Objekte von Christel Siemes in St. Tönis (Jahnstraße; Rue de Sees) sollen auch verkauft werden.

Die Ponter Kirchengemeinde will die Häuser nicht an Baulöwen und Immobilienhaie verkaufen. Dazu Karl Roeling: „Der soziale Aspekt ist uns ganz wichtig. Wir fragen: Was will der künftige Eigentümer mit der Immobilie mal machen?“ Ein Groß-Investor, der eine Familie aussticht? „Vergessen Sie’s“, sagt sein Vorstandskollege Georg Raeth und schüttelt den Kopf: „Nicht mal, wenn er das Doppelte zahlt.“

Zum Erbe gehören auch der alte Ponter Bauernhof mitsamt Land und das nahegelegene Wohnhaus von Christel Siemes. Der Hof ist sehr verfallen, aber die dazu gehörige Ackerfläche ist bereits wieder verpachtet. Weiterhin Teil des Nachlasses war ein Mehrfamilienhaus in Geldern an der Rosenstraße 1. Die Wohnungsgenossenschaft Geldern hat es gekauft, um es für Flüchtlinge herzurichten. Die Erlöse werden vermutlich in eine Stiftung fließen, um daraus „jährlich etwas Gutes zu tun“, kündigt Pfarrer Arndt Thielen an.

Das Geld bleibe in der Gemeinde. Kurzfristig verfügbar wird es aber nicht, betont er: „Das ist jetzt Sondervermögen, da kommen wir nicht dran.“ Bei allen finanziellen Fragen rede das Bistum Münster mit. Vor allem aber denke man langfristig, sagt Karl Roeling. „Es geht hier nicht um heute und morgen. Es geht um viele Generationen.“