Zu Besuch hinter Knastmauern

Rund 1400 Frauen und Männer nutzten die Gelegenheit, sich den Knast in Anrath aus der Nähe anzuschauen.

Foto: Archiv; Beenen

Anrath. „Zwischendurch war es schon ziemlich bedrückend“, sagte Dieter Leven. So wie ihm ging es vielen Besuchern, die am Wochenende an einer Führung durch die Justizvollzugsanstalt in Anrath teilnahmen. Die Rundgänge wurden anlässlich des 111-jährigen Bestehens des Gefängnisses angeboten. Rund 1400 Menschen nutzten die Gelegenheit, um sich ein Bild vom Leben hinter den hohen Mauern zu machen.

Foto: Archiv; Beenen

Zunächst ging es für die Besuchergruppen zur Fahrzeugschleuse. „Hier werden monatlich 900 Fahrzeuge kontrolliert“, sagte JVA-Mitarbeiter Norbert Tenelsen. Jede Kontrolle dauert vier Minuten. Mit einem Herzschlagsensor wird geprüft, ob sich Personen im Wagen befinden, die das Gelände verbotenerweise betreten oder verlassen. Der Männertrakt der JVA, in dem aktuell 419 Gefangene untergebracht sind, ist von 111 Jahren Nutzung sichtlich gezeichnet. Häufig bröckelt Putz von der Fassade. Einzig der renovierte Besuchertrakt erscheint moderner. Jeder Gefangene hat das Recht zwei Mal im Monat für 90 Minuten Gäste zu empfangen.

Foto: Archiv; Beenen

Trotz strenger Kontrollen gelingt es Besuchern regelmäßig, Drogen in die JVA zu schmuggeln. „Die werden meist im Mund oder Intimbereich versteckt und bei Umarmungen oder Küssen zur Begrüßung übergeben“, erklärte Tenelsen.

Besonders beklemmend war für die Besucher der Gang entlang der Zellen. Zwar gab es keinen Kontakt mit den Gefangenen, doch die Vorstellung, dass hinter den dicken Stahltüren Häftlinge sitzen, ließ vielen den Atem stocken.

Auch der Blick in eine der 7,5 Quadratmeter großen Zellen schockierte manchen Besucher. Bett, Tisch und Schrank stehen dicht gedrängt. Einen eigenen Raum für das WC gibt es nicht. Es ist lediglich ein Sichtschutz vorhanden.

Im Vergleich zum Männertrakt empfanden viele Besucher das Frauenhaus fast als angenehm. Es wurde 2006 völlig neu gebaut. Statt tristem Einheitsgrau sind hier große Teile der Fassaden und des Innenraums in freundlichen Rottönen gestrichen. Die Zellen der 190 weiblichen Häftlinge sind drei Quadratmeter größer als die der Männer. Außerdem gibt es Gärten, ein Beachvolleyballfeld und eine Turnhalle mit Kletterwand. So hatten sich die Wenigsten ein Gefängnis vorgestellt. „Was soll’s? Man ist ja doch eingesperrt“, sagte eine Besucherin.

Der einzige Ort, an dem so etwas wie Normalität zu spüren war, ist die Kapelle. Dort sind keine Gitter, Stacheldraht oder Kameras zu sehen. Stattdessen fallen Bilder, ein geschmückter Altar und eine Orgel ins Auge.

Eine komplett andere Atmosphäre vermitteln die „B-Zellen“. Hier werden selbstmordgefährdete oder besonders gewalttätige Gefangene für maximal drei Tage isoliert untergebracht. In den Zellen gibt es nur eine Matratze, die auf dem Betonboden liegt und eine in die Erde integrierte Toilette. Licht kommt nur spärlich durch Milchglas hinein. Im Boden sind Vorrichtungen, um Gefangene zu fesseln und es besteht ständige Videoüberwachung.

„Hier gibt es ja einige bedrückende Dinge. Aber den Anblick vergisst keiner so schnell“, sagte ein Besucher.