Wo Apotheker die Nachtwache halten

Not-Apotheken helfen jenen, denen es nachts schlecht geht — nicht nur, wenn sie krank sind.

Foto: Jörg Knappe

Viersen. Emilio sieht echt fertig aus, als er dick verpackt abends mit seiner Mutter in die Linden-Apotheke kommt. „Scharlach“, kommentiert seine Mutter. Veit Eck sorgt dafür, dass der Fiebersaft und das Antibiotikum schnell auf die Theke kommen. Eck erklärt die Zubereitung des Antibiotikums, erinnert daran, dass die fertige Arznei gekühlt werden muss, schenkt Emilio Gummibärchen und wünscht gute Besserung.

Nachts im Museum — ist bekannt. Aber nachts in der Apotheke — eher nicht. Bei Oxana Eck, Inhaberin der Linden-Apotheke an der Hauptstraße, und ihrem Mann, dem Apotheker Veit Eck, sieht das anders aus. In regelmäßigen Abständen verbringen sie ihre Nächte in ihrer Apotheke. Vor zwei Wochen hatten sie Nachtdienst und in der Nacht zu gestern erneut. In Zeiten der Grippe- und Erkältungswelle ist einiges los in den Apotheken — sowohl tagsüber als auch nachts.

Die Geschäfte an der Hauptstraße sind geschlossen, es ist dunkel und sehr still. Die Apotheke ist — noch — hell erleuchtet. Im Laufe der Nacht wird das Licht gedimmt und die Tür, die Eck jetzt noch nach dem Klingeln von der Theke aus öffnet, bleibt geschlossen. Dann können die Patienten ihre Medikamente nur noch durch die Klappe seitlich der Eingangstür erhalten. „Das dient unserem Schutz“, erklärt Eck.

In diesen Nächten, meist am Wochenende, kann er einiges erleben: Autos, die mit laufendem Motor vor die Apotheke (immerhin liegt sie in einer Fußgängerzone) halten, randalierende Partygänger, die ein Mittel gegen die Wirkungen des Alkohols benötigen. Aber auch jemanden, der eine Flasche Rabenhorst-Saft haben möchte. Auch wenn das nicht Sinn einer Notapotheke ist.

Die wenigsten Menschen machen sich Gedanken über die Apothekennotdienste. Die Apotheken sind verpflichtet, in einem rotierenden Turnus Notdienst zu haben. Dann muss ein approbierter Apotheker anwesend sein. Von 18.30 Uhr, der regulären Schließung an bis zur Öffnung um 8.30 Uhr ist diese Apotheke dann geöffnet. Bis zu 100 Vorgänge verzeichnet Eck an Wochenenden.

Ein junger Mann klingelt und tritt ein. Zwei Rezepte reicht er Eck über die Theke, die dieser genau studiert. „Auf diesem Rezept ist eine Sache, die ich nicht da habe. Aber bis morgen früh kann ich es Ihnen besorgen.“ Ein Medikament kann der Patient sofort mitnehmen. „Wir werden heute Nacht noch mal beliefert. Ich denk’, ich hab’ die restlichen Medikamente bis morgen früh um 7 Uhr hier. Klingeln Sie dann ruhig. Wir sind hier.“

„Die Apotheke ist eine Einrichtung, die den Kranken 365 Tage im Jahr rund um die Uhr zur Verfügung stehen“, betont Eck: „Wir gewährleisten permanente Versorgung mit Medikamenten.“ Ein wenig kritisch findet er, dass die örtlichen Apotheken nachts gerne in Anspruch genommen werden, tagsüber dann aber für einige Kunden die Internetapotheken an erster Stelle stehen. „Das bringt das System in Schieflage“, so Eck.

Eine junge Frau ist die nächste. „Ich brauch Ibuprofen und Wick MediNait“. „Für Sie selbst?“ fragt Eck. „Nein, für meinen Freund“. „Männergrippe!“ sagt Eck lachend. Die junge Frau korrigiert lächelnd: „Ne, der ist echt krank.“ Eck berät sie, fragt nach, welches Symptom am dringendsten zu behandeln ist. Schließlich verlässt die Frau die Apotheke mit einem anderen Medikament. „Wenn es ihm morgen nicht besser geht, muss er noch mal kommen“, so Eck.

Beratung ist das, was die Apotheken auszeichnet. Vor allem, wenn Menschen mehrere Medikamente einnehmen müssen, die eine Wechselwirkung haben, kann Eck gut beraten. Das schafft eine Internetapotheke natürlich nicht.

Eck und seine Frau haben die Grippe übrigens schon hinter sich. Gefragt, ob er Angst hat, von seinen Kunden und Patienten angesteckt zu werden und vielleicht doch lieber mit Mundschutz arbeiten möchte, wehrt er ab: „Ich verlasse mich auf ein gutes Immunsystem.“