„Zur Mühle“ steht zum Verkauf
Wirtin Christel Schöck will aufhören.Kaldenkirchens Vereine bangen nun um den beliebten Saal für ihre Veranstaltungen.
Kaldenkirchen. Ja. Es stimmt. Auch Chinesen haben sich schon für die Gaststätte „Zur Mühle“ an der Kölner Straße interessiert. Gekauft haben sie sie aber nicht. „Es wird eben viel und gerne erzählt“, stellt Christel Schöck fest. Als sie im vergangenen Jahr ihren 65. Geburtstag feierte, ließ sie durchblicken, dass sie sich zurückziehen und den Betrieb abgeben möchte. Seither gab es Interessenten. „Einigen ist das Haus zu groß, anderen ist es zu klein. Wiederum anderen fehlen ausreichend Parkplätze“, sagt sie.
Im Jahr 1863 ist das traditionsreiche Haus errichtet worden, in dem die Familie van Ophoven-Geraats — Christel Schöck ist eine geborene Geraats — seit 1929 Gastronomie betreibt. „Es waren immer Frauen“, sagt Christel Schöck nachdenklich. Ihre Großmutter Mechtild und ihre Mutter Mathilde (Hilde) standen immer hinter der Theke. Links hängt eine Urkunde an der Wand, mit der sich die Krefelder Tivoli-Brauerei am 1. Mai 1981 für 50-jährige Zusammenarbeit mit der Familie van Ophoven-Geraats bedankt. Die Familie und ihr Betrieb sind 25 Jahre später noch da, die Brauerei ging schon 1986 unter.
Dass Christel Schöck sich zurückzieht, auch weil sie in der Familie keine Nachfolge findet, hat in Kaldenkirchen erhebliche Unruhe ausgelöst. Sollte der angeschlossene Saal geschlossen werden, wäre das für die Vereine eine Katastrophe. Karnevalsveranstaltungen, Krönungsbälle der Schützen, Familienfeste und vieles mehr finden hier statt. Vor gut hundert Jahren gab es in der Stadt zehn Säle, nun ist nur einer noch vorhanden.
„Mit normaler Gastronomie kann man heute kein Geschäft mehr machen“, stellt Christel Schöck nüchtern fest. Sie öffnet gegen 17 Uhr, aber die Zeiten sind vorbei, in denen am frühen Abend die typischen Kneipengänger auf ein paar Bier hereinschauen, „de Klänger“ suchen und womöglich länger hängen bleiben. Manchmal ist sie auch um 19 Uhr noch alleine in der Gaststätte. Viele Faktoren haben sich in den vergangenen Jahrzehnten gegen die klassische Kneipe verbündet. Zunächst kam das Fernsehen, dann das Internet und am Ende das Rauchverbot. „Jüngere Leute gehen heute nur ganz selten noch in die Kneipe. Die Lebensgewohnheiten haben sich verschoben, vielleicht auch gegen Geselligkeit“, sagt Christel Schöck nachdenklich.
Christel Schöck, Wirtin
Sehr gut ausgelastet ist immer noch ihre Kegelbahn. Einige Frauenclubs kommen schon am Nachmittag. Sie ergänzt das Geschäft mit Gaststätte und Saal, außerdem gibt es noch im Anbau den Schießstand. All das wäre in Gefahr, wenn sich am Ende kein Käufer fände oder jemand eine andere Idee von Gastronomie hat. Die Wirtin gibt sich keiner Illusion hin. „So, wie ich den Betrieb heute führe, kann er in Zukunft nicht existieren. Eine Chance sehe ich nur, wenn hier ein Speiselokal eingerichtet wird“, meint sie. Dann müsste die bescheidene Haushaltsküche so umgewandelt werden, dass die fehlende Vollkonzession genehmigt wird.
„Es kann sein, dass ich noch ein paar Jahre hier hinter der Theke stehe und die Gäste bewirte. Vielleicht kann das Haus so schnell nicht verkauft werden. Aber trennen werde ich mich irgendwann auf jeden Fall, auch wenn es mir sehr schwer fällt“, räumt Christel Schöck ein. Stolz ist sie auf ihr Personal, das dem Betrieb zum Teil seit Jahrzehnten die Treue hält und zuverlässig mitarbeitet. Reiner Engbrocks, beispielsweise, ist mehr als 35 Jahre schon Kellner und für die Gäste eine Institution. „Ich bin sehr froh um die Harmonie im Team“, bestätigt die Wirtin.
Schon als Kind hatte sie die Leidenschaft für die Gastronomie entwickelt. Vom elterlichen Bauernhof am Heidenend aus eilte sie in Ferienzeiten immer gleich zur Oma, um zu helfen. „Für mich gab es nichts Schöneres“, lächelt sie. Und im grunde ist sie auch heute noch Wirtin mit Leib und Seele — aber nüchtern genug zu wissen, dass die alten Zeiten endgültig vorbei sind.