Zweigleisiger Ausbau verzögert sich

Die Bahn kann in Nettetal nicht bauen, weil erst die rechtsrheinische „Betuwe-Linie“ fertiggestellt werden muss.

Foto: Busch

Nettetal. Hoffnungen auf den baldigen Bau eines zweiten Gleises für die Eisenbahnstrecke zwischen Kaldenkirchen und Dülken lässt Carsten Wiemer nicht aufkommen. Der Kundenberater der DB Netz AG in Duisburg nennt als frühesten Zeitpunkt für eine Erweiterung des Nadelöhrs im Personen- und Güterverkehr das Jahr 2023, „wenn bis dahin die Fortsetzung der Betuwe-Linie fertig ist“.

Das passt so gar nicht zum Wunsch der Politik, möglichst schnell zumindest Teile des wachsenden Gütertransports von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Doch bei einem Diskussionsabend der Grünen-Kreispartei in der Akademie Heydevelthof in Leutherheide wird auch deutlich, dass der Niederrhein und der Kreis Viersen eine kräftigere Lobby in Berlin brauchen, wenn es um den Schienenausbau und seine Finanzierung geht.

Denn den Bund interessiert nicht, wie die belgischen und niederländischen Häfen Zeebrugge, Antwerpen, Rotterdam und Amsterdam (ZARA) ihre Güter in Richtung Mitteleuropa transportieren. Er ist an einer Stärkung der Häfen Hamburg und Bremen interessiert, deren Eisenbahnverbindungen nach Süden und Osten ausgebaut werden. Ein eklatantes Beispiel für die Nichtbeachtung des Niederrheins ist die jahrelange Verzögerung beim Ausbau der Schienenverbindung zwischen Emmerich und Oberhausen, die vollständig überlastet ist, nachdem die Niederlande ihre nur dem Güterverkehr dienende Betuwe-Linie bis an die Grenze gebaut hatten. Nun soll das dritte Gleis verlegt werden. Und deshalb kann in den kommenden Jahren nichts an der Strecke Kaldenkirchen-Dülken getan werden, „weil wir sie auch als Ausweichstrecke brauchen“, sagt der DB-Netz-Vertreter.

Zudem rangiert Kaldenkirchen-Dülken in Berlin nur als „Anhängsel von Köln, wenn es dort zu eng wird“, macht Wolfgang Baumeister klar. Der Verkehrsreferent der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein zeigt auf, dass der Güterstrom von Westen her viel stärker ansteigen wird, als in Berlin bei der Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans angenommen wurde: „Die Zahlen sind um 50 Prozent zu niedrig angesetzt“, meint er. Wenn nicht alles auf verstopften Autobahnen landen solle, müssten Schienenwege ausgebaut und reaktiviert werden. Dabei fallen auch die Reizworte „Eiserner Rhein“ und „Viersener Kurve“. Offen lässt Baumeister, wo der „Eiserne Rhein“ verlaufen könnte. „Aber wenn wir unseren Lebensstil behalten wollen, müssen wir mit größeren Transporten rechnen. Irgendwo tut das immer weh“, lautet seine Einschätzung.

Ernst Lehnen, Spediteur

Den Ärger über viele Staus auf den Autobahnen kann der Spediteur Ernst Lehnen (Lobberich/Tegelen) verstehen, doch habe „die Politik seit Jahren geschlafen“ und nicht in die Infrastruktur investiert. Die Mauteinnahmen seien anderweitig verwendet worden. Er wünscht sich ein härteres eingreifen der behörden gegen osteuropäische Spediteure.

Uneingeschränktes Lob erhielt der Venloer Spediteur Hans Cabooter: Er hat den verrottenden Kaldenkirchener Güterbahnhof mit seinem „Railterminal Kaldenkirchen“ wiederbelebt und seit Ende 2016 Container vom Lastwagen auf den Güterwagen gehievt und nach Italien geschickt. „Damit knüpft er an eine 150 Jahre alte Tradition wieder an“, sagt Nettetals Wirtschaftsförderer Dietmar Sagel zufrieden. Sagel sieht den jetzt praktizierten Kombi-Verkehr auch als „einen Teil der Chance für Venete“. DB-Mann Carsten Wiemer will helfen, Firmen für kombinierte Straße-/Schiene-Transporte zu interessieren.

Zum Schluss greift Reiner Neuß, Leiter des Grünen-Arbeitskreises Verkehr, eine Anregung des Landtagsabgeordneten Rolf Beu (Bonn) auf: Er wirbt im Kreis Viersen für eine parteiübergreifende Schienen-Lobby, die auch wirkungsvoll in Berlin auftreten könne. Dem stimmt Detlef Neuß, der Bundesvorsitzende des Fahrgastverbandes „Pro Bahn“, zu. Denn es könnte eine Einstellung der RE-Linie Kaldenkirchen-Mönchengladbach drohen, wenn die Kapazitäten nicht mehr reichen: „Der internationale Güterverkehr hat nämlich Vorfahrt“, sagte Neuß.