Unterhaltszahlungen Land will säumige Eltern in die Pflicht nehmen

Düsseldorf · Ab dem Sommer übernimmt das Land die Eintreibung des Vorschusses von den Kommunen. Eltern sollen beim Unterhalt lernen: Nicht zu zahlen, rechnet sich nicht.

 Ab Sommer sind die Kommunen allein für die Antragstellung, Bewilligung und Auszahlung von Unterhaltsvorschuss zuständig.

Ab Sommer sind die Kommunen allein für die Antragstellung, Bewilligung und Auszahlung von Unterhaltsvorschuss zuständig.

Foto: picture alliance / dpa/Andreas Gebert

Wer den Unterhalt für sein Kind nicht zahlen will, der soll in Nordrhein-Westfalen bald kein ruhiges Leben mehr haben. Ab dem 1. Juli übernimmt das Land von den Kommunen die Verantwortung für die Eintreibung des Unterhaltsvorschusses und organisiert diese zentral beim Landesamt für Finanzen. 2017 bekamen laut Familienministerium (MKFFI) immerhin fast 150 000 Kinder im Land den Vorschuss ausgezahlt. Die „Rückgriffsquote“, bei der Eltern das Geld zurückzahlten, lag bislang aber nur bei 20 Prozent. Das soll sich ändern.

Der Landtag hat den entsprechenden Gesetzentwurf der Landesregierung kurz vor Ende des alten Jahres mit den Stimmen von CDU, FDP und AfD abgesegnet. Damit steht fest, dass ab Sommer die Kommunen „allein für die Antragstellung, Bewilligung und Auszahlung von Unterhaltsvorschuss zuständig“ sind, so das MKFFI auf Anfrage dieser Zeitung: „Danach wird der Fall an das Land abgegeben.“ Zweierlei erhoffe man sich von dieser Änderung: „Die Zentralisierung auf Landesebene soll den Rückgriff effizienter machen und die Rückgriffsquote dauerhaft erhöhen. Zugleich werden die Unterhaltsvorschussstellen in den Kommunen entlastet“, heißt es.

Arne Moritz, finanzpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, spricht von einer „Win-Win-Situation“: Es solle bessere Leistungen für die Kinder geben und der Staat nicht auf den Kosten sitzen bleiben, betont er im Gespräch mit dieser Zeitung. „Für die Jugendämter ist das eine massive Entlastung“, ist er sicher. Eine Ankündigung, die Nicola Stroop vom Vorstand des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter (Vamv) in NRW hoffen lässt, dass der Antragsstau dort künftig abgebaut wird: „Es gibt beträchtliche Wartezeiten.“ Vor anderthalb Jahren wurde der Unterhaltsvorschuss reformiert – beim Landesverband wisse man von Alleinerziehenden, die tatsächlich seit dieser Zeit auf die Bewilligung warten, ohne bislang einen Cent zu erhalten. „Hier geht es um essentielle Existenzsicherung“, betont Stroop.

Laut Moritz sollen alleinerziehende Eltern aber nicht nur von einer schnelleren Arbeit der Jugendämter profitieren. Er erhofft sich auch, „den Druck auf die Unterhaltspflichtigen so zu erhöhen, dass sie freiwillig zahlen, weil sie sehen: Es bringt nichts, sich der Pflicht zu entziehen“. Sprich: dass die effizientere Eintreibung säumige Eltern, die Unterhalt zahlen könnten, aber nicht wollen, abschreckt. Auch dabei hat er Rückendeckung vom Vamv: „Wir begrüßen jede Maßnahme, die dazu führt, dass Kinder mehr Unterhalt bekommen“, erklärt Stroop. Denn: Der Unterhaltsvorschuss vom Staat sei nur eine Mindestunterstützung, in den meisten Fällen erhalte das Kind mehr Geld, wenn direkt der getrennte Elternteil zahle.

Hier sieht Stroop allerdings noch beträchtliche Defizite: „Wir wissen überhaupt nicht, warum Unterhalt nicht gezahlt wird. Dazu gibt es keinerlei Studien.“ Ist die Mehrheit der säumigen Eltern tatsächlich finanziell nicht zur Unterstützung der Kinder in der Lage? Oder rechnen die Betroffenen ihren Verdienst klein, entziehen sich den Unterhaltsforderungen sogar komplett? Stroop: „Diese Evaluation wünschen wir uns.“ Sie sei wichtig für gezielte Maßnahmen. CDU-Mann Moritz glaubt, dass auch darüber in Zukunft Aufschluss gegeben werden könnte, wenn alle Überprüfungen der Fälle zentral beim Landesamt für Finanzen auflaufen und somit auch die Erkenntnis, ob bei den Eltern Forderungen geltend gemacht werden konnten oder nicht.

Heftige Kritik für das Gesetz ernteten die Landesregierung und die schwarz-gelbe Mehrheit im Landtag von der größten Oppositionsfraktion: In der Sache sei man zwar bei CDU und FDP, sagte SPD-Fraktionsvize Michael Hübner nach der Verabschiedung des Entwurfs (seine Fraktion stimmte dagenen, die Grünen enthielten sich), die Umsetzung kurz vor dem Jahreswechsel im Hauruck-Verfahren und gegen die Kritik der Kommunalen Spitzenverbände allerdings sei „mehr als peinlich“. So könne es doch nicht sein, dass die neue Einheit beim Landesamt zwar die Fälle ab Juli 2019 übernehme, die Kommunen aber auf ihren Altfällen sitzen blieben, bis die Kinder irgendwann erwachsen seien. In der Tat sieht es das Gesetz, so das MKFFI, bislang vor. Arne Moritz (CDU) beschwichtigt: Eine Nachbesserung bei diesem Punkt sei in Zukunft durchaus denkbar. Aber da man nicht noch eine neue Behörde ins Leben rufen wollte, müsse das Landesamt nun erst einmal „bedarfsgerecht weiterentwickelt“ werden. Dazu brauche man qualifiziertes Personal. Und die Befürchtung sei, dass man einen neuen Riesenstau produziere, wenn die neue Abteilung gleich alle Altfälle übernehme. Das gelte aber nicht notwendigerweise langfristig. Er habe Verständnis, dass die Kommunen am liebsten alle Fälle gesammelt an das Land abgeben wollten.