Kommentar Mehr Ehrlichkeit: keine Erwartungen wecken, die nicht erfüllt werden können

Meinung · Das Grundübel ist und bleibt der Mangel an Impfstoff. Nun kommt es darauf an, dass Bund und Länder das Beste daraus machen.

Politiker sollten beim Thema „impfen“ keine Erwartungen wecken, die nicht erfüllt werden können.

Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dp/dpa

Die Pandemie ist noch lange nicht vorbei, das macht der Anstieg der Infektionszahlen deutlich. Lockerungen wird es nicht geben, die Politik debattiert bereits Schritte zurück in den Lockdown. Und das alles, weil Deutschland beim Impfen so quälend langsam vorankommt.

Daran kann auch der Impfgipfel nichts ändern. Denn auf die gute Nachricht von Donnerstag, dass Astrazeneca wieder gegeben werden kann, folgte am Freitag die ernüchternde Nachricht: Aus der Impf-Offensive der niedergelassenen Ärzte wird vorerst nichts. Das liegt nicht an den Ärzten, sie stehen bereit.

Das Grundübel ist und bleibt der Mangel an Impfstoff. Die Fehler, die Deutschland bei der Bestellpolitik gemacht hat und die sich im internationalen Vergleich der Impfquoten manifestieren, sind hinreichend debattiert worden. Nun kommt es darauf an, dass Bund und Länder das Beste daraus machen. Das heißt auch: keine Erwartungen wecken, die sie nicht erfüllen können. Effekthascherisch vor Weihnachten eingeweihte Impfzentren, die dann wochenlang mangels Impfstoff ungenutzt blieben, waren das Sinnbild für leere Versprechungen in NRW.

Zur Ehrlichkeit gehört es auch, den Bürgern reinen Wein über weitere Kandidaten einzuschenken. Die Ministerpräsidenten im Osten sehnen den russischen Stoff Sputnik V herbei. Tatsächlich kann man die Bundesregierung nur davor warnen, Außenpolitik mit Impfstoffen zu betreiben.

Doch der hier unverdächtige SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagt klar, dass Sputnik zwar wirksam ist, die Russen aber unrealistisch niedrige Nebenwirkungen melden. Das muss geprüft werden. Am Ende muss Sputnik die gleichen Zulassungsschritte durchlaufen wie andere Impfstoffe – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das Drama um Astrazeneca zeigt, was passiert, wenn ein Vakzin erst einmal ein Imagepro­blem hat.

Sollte sich herausstellen, dass nun Lehrer, Erzieher und Polizisten das neu gestartete Astrazeneca-Angebot nicht annehmen, muss Bundesgesundheitsminister Jens Spahn über eine Öffnung der Impfverordnung nachdenken und das Vakzin auch Bürgern außerhalb der Priorisierungsgruppen anbieten. Gerade in der jetzigen Phase der Pandemie können wir es uns nicht erlauben, Impfstoff im Kühlschrank zu stapeln. Letztlich wird die Pandemie erst enden, wenn fast alle Menschen infiziert oder geimpft sind.