Abteiberg-Leiterin Susanne Titz im Interview: Kunst interessanter denn je
Mönchengladbach. So, wie der VfL den Namen der Stadt in die Welt trägt, ist es auch mit dem Museum Abteiberg. Leiterin Susanne Titz blickt mit der WZ in die Zukunft.
Frau Titz, wenn man die Zukunft des Museums Abteiberg und der Kunst betrachten will, muss die Frage erlaubt sein: Haben Sie 2025 noch so viel Publikum — angesichts einer schrumpfenden Bevölkerung?
Susanne Titz: Ich gehe nicht davon aus, dass wir das beim Publikum spüren werden. In den 60er Jahren gab es mehr Menschen aber weniger Museumsbesucher. Man muss bedenken, dass Kunstmuseen noch nie so viel Publikum hatten wie heute. Im Jahr sind alleine 300 Schulklassen bei uns. Es wären noch mehr, wenn wir es anbieten könnten. Aber da ist der Kostenfaktor Personal im Weg.
Wir haben schon heute ein viel breiteres Spektrum an Menschen hier als vor 30 Jahren. Was uns allerdings fehlt, sind die jungen Erwachsenen. Es gibt da einen Bruch zwischen der Schule und dem Finden eines persönlichen Hobbys beziehungsweise Interesses von StarTrek bis Oper. Interessanterweise sind es allerdings nicht die bildungsfernen Schichten, die uns da fehlen.
Sind auch Computer und Internet Schuld? Gibt es irgendwann nur noch virtuelle Ausstellungen?
Nein, schon jetzt existieren reale und virtuelle Parallelwelten miteinander. Das, was die Leute jetzt bewegt und begeistert, das wollen sie auch erleben. Das Reisen ist wichtig. Auf das, was sie reizt, werden sie durch die Medien aufmerksam und die modernen Fortbewegungsmittel bringen sie hin.
Und nach was werden sich die Menschen 2025 sehnen?
Es wird eine andere Qualität haben als heute. Schon jetzt kann man in der Kunst eine Entwicklung sehen. Ich habe den Eindruck, es verschiebt und intensiviert sich das Interesse für Sammlungen, für Archive, für das, was man wiederentdecken kann. Es ist das, für das sich zum Beispiel Eltern und Kuratoren in den 80ern nicht interessiert haben, zum Beispiel den Landart-Künstler Robert Smithson aus den 60er/70er Jahren, der jetzt in Siegen und den Niederlanden gezeigt wird. Und bei uns ist es die Popart-Künstlerin Evelyne Axell, die man vergessen hatte.
Warum wird das wieder interessant?
Die Menschen wollen beispielsweise wissen, was waren die Anfänge der Mode, was ist den Siegeszügen von Twiggy oder Coca Cola vorangegangen? Es gibt eine wachsende kulturhistorische Neugierde. Wir haben am Abteiberg vor fünf Jahren Andy Warhols Perücken gezeigt. Das ist was ganz anderes als seine Bilder, die ich manchmal „Dollarzeichen an der Wand“ nenne. Es geht beim Ausstellen von Gegenwartskunst nicht nur um hehre Orte mit ästhetischen Objekten an der Wand. Es geht darum, erfahrbar zu machen, warum diese Kunst radikal war.
Wie werden die Möglichkeiten von Internet und Massenmedien die Kunst beeinflussen?
Der Kunstbetrieb ist extrem medialisiert worden. Kunst wird immer stärker danach bewertet, ob sie Vergnügen und Aufmerksamkeit erzeugt. Der Blick fällt vor allem auf populäre Künstler. Das fing mit Picasso an, heute haben wir Gerhard Richter oder Damien Hirst. Richter ist jetzt ein Star. Als er vor vielen Jahren an der Bismarckstraße ausstellte, war er ein spröder Künstler mit grauen Bildern. Aber wenn man Kunst nicht sterben lassen will, darf man sich nicht auf Stars konzentrieren. Nur wenn man auch weniger Bekannten die Möglichkeit zum Ausstellen und Geld gibt, können sie die nächste Idee entwickeln. Sonst rückt in 30 Jahren nichts nach.
Können Sie das bei zunehmend knappen Mitteln der Kommune als städtisches Museum weiter finanzieren?
Ja, wenn ich mich immer frage, was ist gerade akut, was müsste man jetzt sammeln, also bevor mancher als Star gefeiert wird, dann ist es eher finanzierbar. So ist unsere ganze Sammlung entstanden.
Also haben Sie 2025 keine Finanzprobleme angesichts des klammen Haushalts der Stadt?
Doch. Denn die Gesellschaft muss sich entscheiden, ob sie Kultur als Bestandteil der Gesellschaft sieht, als wichtiges öffentliches Element. Die Frage ist, ob sie den Wert öffentlicher Kultur erkennt. Wenn man Kunst Privatsache werden lässt, wird sie feudal und vorhersehbar. Wir bekommen das, was sich Einzelne wünschen, weniger von dem, was wir noch nicht kennen.