Angekommen in Deutschland
Die Hoffnung auf ein besseres Leben trieb sie an. Flüchtlinge versuchen, ihre Unterkünfte in ein Zuhause zu verwandeln.
Mönchengladbach. Die Wände und Spiegel im Sanitärraum sind schmierig. In den Boden sind stumpf wirkende Metallschüsseln eingelassen: die Toiletten. Vor einer Dusche baumelt ein orange-roter Vorhang. Uringeruch beißt in der Nase. Im Raum nebenan stehen Waschmaschinen und Waschbecken zwischen grauen Wänden. Auf den vom Wasser überschwemmten Fliesen steht ein junges Mädchen in pinker Hose und grünem Pulli. Auch ihre Flucht hat hier geendet — im Asylbewerberheim Hardter Straße, Rheindahlen.
129 Menschen wohnen hier. In Gladbach gibt es vier sogenannte Übergangsheime für Flüchtlinge. Wer hier lebt, wähnt sich am Ziel — angekommen in Deutschland. Viele kommen aus Ex-Jugoslawien, manche aus Afrika oder dem Mittleren Osten. Die meisten sind Wirtschafts-Flüchtlinge.
2010 wurden alle gestellten Asyl-Anträge abgelehnt. „Seitdem Mazedonier und Serben ohne Visa in die EU einreisen dürfen, erlebt Gladbach eine Flüchtlings-Schwemme“, sagt Niels Gehrke vom Sozialamt. Für die Zustände im Heim sei die Stadt nicht verantwortlich: „Die Bewohner müssen die Unterkunft sauber halten.“
Bewohner Kenan Dibrani sitzt in seinem Zimmer, er hat es orange gestrichen. „Grau ist die Farbe des Gefängnisses“, sagt er. Neben dem Fernseher stehen Parfüms. Es gibt Kaffee und Zigaretten. „Die Bewohner machen nicht sauber“, erzählt Dibrani von seinen Nachbarn. Mit der Arbeit der Hausmeister hingegen ist Dibrani zufrieden. Alle Heime werden 24 Stunden am Tag von Hausmeistern betreut. Sie sollen vor allem die Funktionsfähigkeit der Unterkünfte kontrollieren.
Defekte Geräte würden teilweise monatelang nicht repariert, sagt ein Flüchtling und zeigt auf eine kaputte Toilettenspülung und ein Fenster, das nicht mehr geschlossen werden kann. „Ich habe es erzählt, aber niemand tut etwas.“ Er fühlt sich von den anderen Bewohnern ausgegrenzt. Er glaubt sogar, die Zustände im Heim seien gesundheitsgefährdend. Niels Gehrke sieht das anders: „Auffälligkeiten bei Krankheiten gibt es nicht.“
Neuwerk, Unterkunft Bockersend: An einer Wand stehen zwei Betten. Unter dem Fenster stapeln sich drei ausgeleierte Koffer. Ärmel und Hosenbeine hängen heraus. Rechts stehen noch ein Bett und Regal. Darauf ein Campingkocher. Wie viele Menschen in einem Raum leben dürfen, ist nicht vorgeschrieben. Eine schwere Metalltür trennt das Zimmer vom Flur.
Der Vater der mazedonischen Familie, die hier wohnt, sitzt rauchend auf dem Bett. Die Luft ist stickig. Die Muttersteht über einem Plastik-Eimer und versucht in die Hocke zu gehen. Ihr Gesicht ist schmerzverzerrt. Sie hat sich einst in der Heimat das Knie verletzt. „Der Eimer ist ihre Toilette“, sagt ihr Sohn. Die 58-Jährige könne die eigentlichen WCs — in den Boden eingelassene Metallschüsseln — nicht benutzen. Eine Operation könnte helfen. Doch genehmigt und bezahlt werden nur Behandlungen akuter Notfälle. Die Mazedonierin zählt nicht dazu.
„Mir ist der Fall unbekannt“, sagt Niels Gehrke vom Sozialamt. Sonst hätte die Frau in ein anderes Heim umziehen können. Es gebe kaum behinderte Asylbewerber. Deshalb sei keine der Unterkünfte behindertengerecht. Rechtlich sei das auch nicht vorgeschrieben.
Übergangsheim Luisenthal: Ein hoher Zaun mit Stacheldraht grenzt das Gelände an einer Seite ab. Das Heim wurde in den 60ern gebaut, heute wohnen hier 105 Asylbewerber. Das große Wohnhaus ähnelt einer Mietskaserne. Der Anbau ist identisch mit den Baracken in Rheindahlen und Neuwerk. „Manchmal gibt es Probleme mit alleinstehenden Männern“, erzählt der Hausmeister. Luisenthal diente als Vorbild für eine weitere Unterkunft an der Eickener Straße.
Dieser Backsteinbau am Übergang von Eicken nach Bettrath wurde erst 2004 errichtet. Hier leben Familien wie die von Jamal Hälin, der, wie er erzählt, wegen „politischer Probleme“ mit Frau und Kindern vor Jahren aus Syrien kam. In dem sauberen Gebäude haben die Hälins eine eigene Toilette, Wohnzimmer und Küche. Familienfotos und Porzellan zieren die Regale und Wände. Dazwischen spielt das jüngste Kind friedlich auf dem Teppich. Die Hälins sind angekommen in Deutschland ...